Brennt heißer als vier Kerzen

Es ist kurz vor Weihnachten und zum Glück passiert jetzt noch was, bevor die kollektive Seligkeit Einzug hält in deutsche Wohnzimmer. Die Reggaekombo Schwarzpaul legt uns ein neues Album unter den Tannenbaum. Praise JahJah!
Nun vibriert der Baum in wummernden Basslines, wird geschüttelt durch drängende Drums, fast zersägt von griffigen Gitarren und: Hallelujah! Die Orgel orgelt ordentlich! Schöne Weihnachten, die uns die Dortmunder Band damit beschert. Schwarzpaul kombiniert auf "Messer aus Holz" Teile von Roots und Steppers aus den Heydays des Reggae mit rezenten Popeinflüssen in einem höchst aktuellen Mix, den der Deutsche Meister an den Reglern - Umberto Echo - abgemischt hat.
Und wenn es mal ein wenig popseicht zu werden droht, hauen die Jungs mal eben sehr gelungene Dubmixe raus, die einerseits als ausgedehnte dubwise parts in den Songs auftauchen oder dreimal auch als eigenständige Dubs. Das macht richtig Spaß. Für Reggae-Begeisterte sowieso, aber sicher auch für Offbeat-Unbelastete.
Nach 10 Tracks hat man richtig Lust auf repeat. Von wegen Stille Nacht.

www.schwarzpaul.info

Reggae-Renaissance

Die Reggae-Community befindet sich in nervöser Unruhe. Seit der der Veröffentlichung des neuen Albums von Samory I vernimmt man ein vielstimmiges Raunen im offbeat-geprägten Musikzirkus.
Samory I ist zwar kein Unbekannter mehr seit er 2015 sein Debüt "Black gold" veröffentlichte. Aber nun gehört ihm ungeteilte Aufmerksamkeit. Das neue Album "Strength" entstand in Zusammenarbeit mit Winta James. Der Produzent James ist ein musikalisches Schwergewicht in Jamaica und hat Samory I mit "Strength" ein Werk auf den Leib geschneidert, das den Roots Reggae weiter entwickelt, aber mit einem sehr feinen Gespür für die Wurzeln dieses einst wichtigsten Reggae-Genres.
Die 11 neuen Tracks sind ganz fetter Sound mit Anleihen bei R&B, Soul und HipHop, in dem jedoch viel Platz ist für das Gute von Gestern. Und deshalb preist die Fachwelt das Album als Wiedergeburt des Roots Reggae. Die Aufregung erinnert an das Auftauchen von Garnett Silk in den 90ern. Damals galt dieser als neuer Bob Marley. Davon redet bei Samory I niemand. Noch nicht. Aber hey: "Strength" entstand im legendären Marley-Tonstudio Tuff Gong in Kingston. Doch nicht jeder, der eine Kirche bemalt, ist da Vinci. Wenn ihr also die Auferstehung des Roots feiern wollt, seid zunächst einmal vorsichtig mit eurem Hallelujah.

www.samoryi.bandcamp.com

 

Dub mit Kippe

Der Namenspatron und Kettenraucher César Luis Menotti galt immer als El Flaco, der Dünne. Insofern gibt es keinerlei Parallelen zu Menotti HiFi, die doch eher für fetten Sound stehen und von uns wissen wollen: Ist das noch Reggae?
Das ist grundsätzlich Reggae, was Menotti HiFi auf dem ersten Album "Yksi" in 14 überwiegend instrumentalen Tracks anbietet. Allerdings verfeinert mit spaciger Elektronik, rockigen Beats und souligem Funk. Doch ihre Wurzeln wollen und können die drei von Menotti HiFi nicht verschleiern. Thomas Hoppe, Gudze Hinz und Arne Piri sind jahrelang als The Senior Allstars durchs Land gezogen und machten beständig Werbung für feinen Reggae und Dub.
Das geht nicht selbstverständlich nicht spurlos an den Jungs vorüber und ist auch gar nicht schlimm. Menotti HiFi haben daher sehr schöne reggaebasierte Sounds im Programm, die manchmal ein wenig härter daherkommen, aber Langeweile absolut gar nicht aufkommen lassen.
Bei unruhr feiern wir aus diesem Grund im Jahr 2023 nicht 375 Jahre Westfälischer Frieden in Münster, sondern das Debütalbum von Menotti HiFi.

https://menottihifi.bandcamp.com

Premium Dub

Vom grandiosen Klassiker "Dub from creation" von Creation Rebel besitze ich nur die Schallplattenhülle. Weil mein damaliger Plattendealer das Album nicht mehr besorgen konnte, hat er mir seines auf Cassette gezogen und das leere Cover beigelegt. Die Cassette hat inzwischen das Zeitliche gesegnet.
Deshalb passt es mir sehr gut, dass Creation Rebel nach 40 Jahren wieder ein neues Album veröffentlichen werden. "Hostile environment" erscheint am 6. Oktober und wartet mit 11 Tracks der Sonderklasse auf. Das Album ist voller Dub auf hohem Niveau, zitiert alte Reggae-Spielarten wie Steppers, Rockers, One drop und Far East, ist aber auch auf Höhe der Zeit mit einigen technoiden Trance-Dub-Tracks und angeschnulztem Pop-Reggae. Es macht riesig Spaß und ist nie langweilig, sich durch das Album in voller Länge zu hören.
Für die absolut zeitgemäße Mischung ist selbstredend auch Adrian Sherwood und dessen Produktion des Albums verantwortlich. Sherwood hat 1978 "Dub from creation" sozusagen als Praktikant betreut und schneidert den Rebels nun erneut den perfekten Sound auf den Leib. Ähnliches hat Sherwood bereits für Lee "Scratch" Perry getan, dessen letztes Album zu Lebzeiten er produzierte. Und auch der alternden Legende Horace Andy hat er wieder auf die Sprünge geholfen. Das klappt jetzt auch mit Creation Rebel, deren frühren Sound Sherwood wertschätzt und ins Heute übersetzt.
Dieses Mal, liebe Leute, lasse ich mich nicht mit einem leeren Cover abspeisen.

www.creationrebel.bandcamp.com

Ursprung Jamaica

origin one coverKarl Lauterbach glaubt zwar nicht an das Ende der Pandemie. Aber wir feiern es trotzdem. Die perfekte Begleitung dazu ist "Dance again" von Origin One. Ein blitzsauberer Dancehall-Tune, der an den Reggae der frühen Achtziger erinnert. Mit Unterstützung von Charlie P zelebriert Origin One die Rückkehr der Menschen auf die Tanzflächen.
"Dance again" wartet mit einem Sample der legendären Heptones auf und baut auf dieser Basis einen schönen Reggaebeat, der nach körperlicher Bewegung schreit. "Dance again" ist die erste Veröffentlichung der kommenden EP "Step in time". Diese wird der DJ und Produzent aus Nottingham in Zusammenwirken mit befreundeten Gästen in Kürze bei Tru Thoughts veröffentlichen.

www.originone.bandcamp.com

Number one two three

Morgan Heritage zählen zu den ganz Großen des Reggae-Geschäfts. Daher können sie es sich auch erlauben, ein längeres Päuschen einzulegen. Seit 2019 hat man nichts mehr von Peetah, Gramps und Mojo gehört. Aber nun eröffnet die Band das Jahr 2023 mit der neuen Single "Just a number".
Wie gewohnt zaubern die ehemaligen Grammy-Gewinner mühelos ein Stück international reggae music aus dem Hut. Ein geschmeidiger pop-beeinflusster Riddim wird mit aussagekräftigen Lyrics zu einem stylishen Tune zusammen gebastelt.
"Just a number" ist gleichzeitig die Ankündigung eines neuen Albums. Das heißt "The homeland" und soll im April 2023 bei XTM Nation erscheinen. Und es wird gemunkelt, dass die Liste der Mitwirkenden lang und exquisit ist. Wir bleiben am Ball und werden für euch Geheimnisse lüften...

www.morganheritagemusic.com