Peter Broderick und die Brombeeren

broderick blackberry coverBeim ersten Hören habe ich Peter Broderick eindeutig jenseits des großen Teiches verortet. Doch Peter ist erst kürzlich von London nach Irland umgezogen. Sein neues Album hört sich allerdings dermaßen nach Amerika an, dass man meinen könnte, der 33-jährige sei tief im Mittleren Westen geboren und dort musikalisch sozialisiert. Broderick nennt es Schlafzimmer-Folk-Pop, denn schließlich hat er die acht Songs im Sommer 2019 komplett im eigenen Schlafzimmer eingespielt.Erst heute erscheint "Blackberry" digital, am 30. Oktober kommt dann die CD und das Vinyl via Erased Tapes auf den Markt.
Ich würde die Songs auf "Blackberry" als Öko-Pop bezeichnen, denn Broderick singt nicht nur eine Ode an die Brombeere, sondern auch ein ziemlich langes Lied über die Vorzüge und richtige Verwendung von Wildkräutern. Möglicherweise haben wir es mit einer Wiederkehr von Peter Lustig zu tun. Dementsprechend eröffnet das Album mit einer Trompetenmelodie, die jeder Kindersendung zur Ehre gereichen würde. Über den Albumtitel sagt der Musiker: "Als ich vor ein paar Jahren damit begann, mich intensiv mit dem Sammeln von essbaren Wildpflanzen zu befassen, hat mich die einfache Brombeere nicht gerade vom Hocker gehauen. Doch ich sollte schon bald mit neuer Leidenschaft zu dieser vertrauten Frucht aus Kindertagen zurückkehren."

Ich weiß nicht, was ihr damit anfangen könnt. Ich werde mir jetzt erst einmal ein Zigarettchen von getrockneten Blättern des Sauerampfers aus meinem Schrebergarten drehen, und genüsslich zurückgelehnt diesen lässigen Pop mit Weltverbesserungspotential hören. Schmauchschmauch...

 www.peterbroderick.net

Sorry3000 aus Turnhalle an der Saale

Sorry3000 hören sich manchmal an als sei es nur eine Frage der Zeit, wann die Band ihrer Heimatstadt Halle/Saale den Rücken kehrt und nach Berlin geht. Sorry3000 und ihre Songs sind derart nischentauglich, dass der Untergrund sich danach die Finger leckt. Die Band nennt es Realpop, dieses Gemisch aus Kindermelodien und Geschrei, schrägen Gitarren und abseitiger Lyrik. Andere meinen, in Sorry3000 das nächste heiße Ding zu erkennen. Und wenn's nichts wird, habt ihr es einfach nicht kapiert.
Es passt natürlich nur zu gut, dass die ostdeutsche Geheimtipp-Band jetzt beim norddeutschen Vorzeigelabel Audiolith untergekommen ist. Dort wird im Herbst auch das Album "Warum overthinking dich zerstört" erscheinen.
Daraus wird jetzt die nächste Single "Fitness" ausgekoppelt, die das gesunde Leben auf's Korn nimmt. Vielleicht macht man sich damit in Berlin eher Feinde. Dann doch besser die Poprevolution in Halle starten.

www.sorry3000.net

Psychoaktive Cigaretten

Wir haben Die Cigaretten wieder und wieder über  den grünen Klee gelobt. Damit hören wir nicht auf. Nach dem sehr überzeugenden Debütalbum "Sonic juz" arbeiten die Jungs hart am Nachfolger. Der ist lang noch nicht fertig. Dafür steht die EP "Crashkid" fast schon bereit. Das Appetithäppchen "Nichtsnutz" servieren Die Cigaretten jetzt ganz frisch in einem knallbunten Clip und auf brennenden Skateboards.
Das neue Stück ist erneut großartige Ruhestörung. Kompromisslos an Saiten und Fellen. Knappe drei Minuten psychoaktives Geräusch, dass in großer Lautstärke seine volle Wirkung hat. Für "Crashkid" haben Die Cigaretten zum Label Audiolith gewechselt. Das ist wohl, was man einen Karriereschritt nennt. Audiolith veröffentlicht "Crashkid" am 2. Oktober. Wir von unruhr bleiben bis dahin für euch am Ball.

www.instagram.com/diecigaretten

Afrika ist Uckermark, nicht Berlin

Jetzt sind die drei Jungs von Cassia aus Manchester in Berlin angekommen. Wie eigentlich jede aufstrebende Band zwischen Australien und Island. Das birgt eine gewisse Langeweile, die auch zu erkennen ist beim Schippern der Band auf Landwehrkanal und Spree.
Beim Umzug nach Berlin ist offensichtlich der afrikanische Touch verloren gegangen, der das Debütalbum "Replica" der jungen Briten aus 2019 geprägt hat. Die neue Single "Don't make a scene" versucht sich in Weichspüler-Sommersounds. Das gelingt Cassia gar nicht so schlecht. "Don't make a scene" ist unzweifelhaft ein Fußmitwipper. Er verwischt aber das ehemalige Alleinstellungsmerkmal: Diese zündende Kombi aus afrikanischen Sounds und englischer Popmusik.
Vielleicht treffen die Drei in Berlin einen Menschen, der ihnen verrät, dass Afrika nur 86 Kilometer nordöstlich vom Alexanderplatz mitten in der Uckermark liegt. Als Ortsteil von Flieth-Stegelitz. Das ist ein kurzer Weg für neue Inspiration hinsichtlich des geplanten Albums, das 2021 erscheinen soll. Da ist also noch Zeit.

www.wearecassia.com

Endlich Alarm

Songs wie "Alarmzustand für Deutschland" sollten wöchentlich veröffentlicht werden. Zum Thema AfD haben sich deutsche Bands und Musiker bisher vornehm zurückgehalten. Den Diskurs überließ man viel zu lang den Rechten. Gut, dass Alarmbaby aus Mannheim jetzt mal die Fresse aufreißen und zurückschreien gegen den nationalistischen Dreck.
Die Band selbst sagt dazu: "Jeder, der aus unserer Geschichte etwas gelernt hat, hat den Auftrag, sich dagegen zu stellen, so laut er kann und mit allem, was er hat. Mit Kopf, mit Herz, mit Körper und Seele."
"Alarmzustand für Deutschland" ist die aktuelle Single der Band um Frontfrau Mary-Anne Bröllochs. Zu finden ist der Song auf dem Album "Killamädchen", das im November vom Label Drakkar Entertainment unter die Leute gebracht wird. Das Album ist laut und heftig und erinnert an Alarmbabys Vorbilder wie Green Day, Queens of the Stone Age, Atari Teenage Riot und The Hives. So kann's weitergehen, Leute!

www.alarmbaby.de

 

Mit der Kraft der Natur

Was aussieht wie ein Clip des Naturschutzbundes, ist das aktuelle Video der britischen Band "Ithaca". Das passt zu Mammal Hands, weil sie Songs schreiben, die "Late bloomer" oder "Rhizome" heißen. Die werden auf dem neuen Album von Mammal Hands sein und nicht nicht nur Hobbybiologen begeistern. Jesse Barrett, Nick und Jordan Smart produzieren auch für das inzwischen vierte Album "Captured spirits" großartige instrumentale Sounds im weiten - mit Sicherheit wildblumenbestandenen - Feld von Electronica, Jazz und Klassik.
Auf "Captured spirits" finden sich oft sinnierende, suchende Songs mit bemerkenswerten Melodien und auch vertrackten Arrangements. Dazu brachen die drei Herren aus Norwich meist nicht mehr als Piano, Schlagzeug und Saxofon oder beispielsweise Bassklarinette wie in "Ithaca". Und zeigen damit, dass sie alle Facetten vom Wohnzimmerkonzert bis zum Großbildleinwandkinosound drauf haben. Manches Mal sogar in einem einzigen Song.

Gönnt euch also ein Gläschen Kräutertee, lehnt euch zurück und genießt "Ithaca", damit ihr euch auf das im September bei Gondwana Records erscheinende Album freuen könnt.

www.mammalhands.com