Reggae - Reggae inna Germany

Haile Adenauer IÜber Jahre war das Bild des Reggae in Deutschland geprägt von Ökokiffern in ihren selbstgestrickten "Reggaepullovern". Rot-gelb-grün mit fieseligen Blonddreadlocks. Das hat sich geändert, auch wenn die Gläubigen der ersten Stunde das Heft noch nicht ganz aus der Hand gegeben haben. Inzwischen ist das Image des Reggae das einer Musik, die sich in ansprechender Weise mit Migration, Leitkultur, Toleranz und Antifaschismus in Deutschland auseinandersetzt und den Spaßfaktor trotzdem deutlich einkalkuliert. Hoppla, sagen da einige. Und das ist richtig. Weil auch die musikalische Qualität stimmt und in vielen Fällen sogar die jamaikanischen Originale abhängt.
Unruhr gibt einen kurzen Überblick und verweist auf Weiterführendes.

Seit vielen Jahren hat sich in Deutschland eine Reggae- und Dancehall-Szene aufgebaut und nun etabliert. Das Jahr 2001 war vermutlich der Durchbruch im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Besonders die Erfolge in den Charts von Seeed und Jan Delay haben dem Reggae in Deutschland Tür und Tor geöffnet.

Denn wer hat "Dickes B" von Seeed und Jan Delays Nena-Cover "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" damals in Radio und TV überhört? Darüber hinaus hat Seeed den Boden deutscher Städte und Gemeinden mit ausgedehnten und überzeugenden Liveshows beackert. Die Saat ist längst aufgegangen. Und als die Deutschen allen zeigen wollten, dass sie gar nicht mehr so deutsch sind, da durften dann auch Seeed ran, um mit Franz, Claudia und Herbert die Fußballweltmeisterschaft 2006 zu eröffnen.

Doch nicht nur die Vielfalt ist groß, auch die Qualität ist hoch. Ob es um Sound Systems wie beispielsweise Sentinel aus Stuttgart geht, um Produzenten wie Teka aus Köln, um Künstler wie Sebastian Sturm aus Aachen, Ganjaman aus Berlin, Jahcoustix aus München oder Ronny Trettmann „aus der ostdeutschen Platte“. Sie alle können auf internationalem Niveau locker mithalten. Die Zeiten, in denen hinter Seeed und Gentleman erst mal eine große Lücke klaffte, sind längst vorbei. Sollten Seeed sich tatsächlich zu einer Reunion aufraffen, wird ihnen die Rückkehr an die deutsche Spitze gar nicht so leicht fallen. Stagnation ist derzeit nicht erkennbar. Nachwuchsbands wie Bantaba aus Dortmund stehen bereits in den Startlöchern.

Genauso erarbeitete sich das seit 2001 erscheinende Printmagazin Riddim internationalen Status und hat eine beispielhafte Entwicklung zum vielbeachteten Fachjournal vollzogen. Alles, was sich durch Wort und Schrift mit Reggae Meriten verdient hat, gibt sich dort ein Stelldichein.

Wie auch Helmut Philipps, der 2007 zusammen mit Olaf Karnik das Phänomen "Reggae in Deutschland" in Buchform beschrieben und analysiert hat. Unerlässlich für alle, die tiefer in die Materie einsteigen wollen.

CD-Tipps:
Ronny Trettmann & Ranking Smo - Zwei chlorbleiche Halunken (2010)
Bantaba- From the ground up (2010)
Nosliw - Heiß & laut (2009)
Ohrbooten - babylon bei boot (2007)
P. R. Kantate - Dick in Jeschäft (2007)
Sam Ragga Band - Situations (2006)
Martin Jondo - Echo and smoke (2006)
Seeed - Next! (2005)
Silly Walks Movement meets Patrice (2003)
V. A. - The Excitement (2002)
Jan Delay - Searching for the Jan soul rebels (2001)

Links:
www.germaica.net/ - Germaican Observer. Das Webzine für jamaikanische Musik.
www.riddim.de/ - Das deutschsprachige Magazin auch im Web
www.basskulcha.com - Reggae und Dancehall culture

weitere Reggae-Schwerpunktthemen bei unruhr:
Geschichte des Reggae
Sound Systems und Produzenten
Dub, DeeJays und Dub Poetry
Rastafari
Bob Marley
Disco-/Bibliographie
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