Die Achtziger waren eine sehr mühsame Zeit für Reggae-Liebhaber. In endlosen Monologen musste, wollte man erklären, dass Reggae mitnichten tot sei, nur weil Protagonist Marley bereits Konzerte in den ewigen Jagdgründen gab. Der Erfolg war bescheiden, und so starb auf jeder Party mindestens ein Reggae-Mixtape den qualvollen Tod des gewaltsamen Bandsalats. Jetzt wird der Reggaefan für all dies unsinnige Leiden entschädigt.
Auf P.R. Kantates zweitem Album Dick in Jeschäft verwurstet der Berliner viele Tracks, gegen die der damalige Reggae nicht anstinken konnte und legt sie als Karibikversionen wieder auf. Die NDW-Überhits Blaue Augen von Ideal und Grauzones Eisbär müssen dran glauben. Da Da Da als Calypsoversion, Blueprint im zuckenden Afropop-Gewand und König Rio von Deutschland nur noch als Rootsragga-König von Kreuzberg. Die letzten Atemzüge der Stranglers werden zu Alwehs de sun und den Safety dance der Hutlosen führt Kantete als Minimalisten-Blöckflöten-unplugged-Version auf. Bohlens Tantiemenkasse wird mit U mi heart, u mi soul weiter gefüllt und eine Band wie Gänsehaut mit damaligen Burnern wie Johanna das Huhn und Karl der Käfer ist nun mit Karl der Kiffer deutlich aufgewertet.
Derartiger Umgang mit Klassikern ist vielleicht respektlos, hat aber den Vorteil, dass Kantates Versionen nicht in triefendem Retrocharme steckenbleiben, sondern stattdessen frisch-witzig im Gehörgang residieren. Es sind keine musikalischen Kleinode und oft nicht in der Lage, den Originalen das Wasser zu reichen, doch hinhörenswert und sanftes Erinnern auslösend. Die ehemaligen Reggae-Mixtape-Zerstörer schreien sicher nicht Hurra, aber werden eventuell zum Lachen in den Keller gehen und dort nebenbei ihre alten Plattenkisten durchwühlen.
Doch selbst Reggae-Nerds tritt Kantate bisweilen auf die Füße, indem seinem Alter ego Ras Krass das Rasta-Reggae-Gebrabbel à la Gentleman despektierlich über die Lippen kommt. Wer etwas für Ironie übrig hat, kommt bei P.R. Kantate wie immer auf seine Kosten.
Doch bei allem Spaß geht es auch ums Geld. Durchs Covern fließt es eher an Kantates Taschen vorbei, deshalb liefert er auf Dick in Jeschäft auch Eigenes. Mit dem Titeltrack und In Balin gelingt ihm das außerordentlich gut. Klasse Reggae mit deutschem Gereime voller Charme und Eleganz. Deshalb CD rein, hingehört und mitgedacht.
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Foto: Nikdelay.com