Ja ja, alles gut. Ich weiß.

Geht euch das auch fürchterlich auf die Nerven, wenn Berufsoptimisten euch in schweren Lebenslagen aufmunternd zurufen: Alles wird gut!? Aber Sophie Hunger kann man so richtig nichts übelnehmen. Deswegen war die Freude groß als die Schweizerin gestern ein Appetithäppchen ihres kommenden Albums servierte.
Denn auch wenn der Track "Everything is good" heißt, ist es die erste freudige Überraschung aus dem langerwarteten siebten Album "Halluzinationen", welches Ende August bei Caroline International erscheinen wird. Sophie bleibt mit damit dem Weg treu, den sie mit dem Vorgänger "Molecules" einschlug.
"Halluzinationen" ist wie das 2018er Werk elektronisch und englisch. Und jetzt kommt die erste Single sogar noch eingängig poppig und fast leicht verdaulich rüber. Aber Sophie Hunger hat gar kein Problem mit Pop. Für sie ist alles Pop, was nicht Klassik oder Jazz ist.
Möglicherweise rührt der neue Pop-Appeal von den Aufnahmesessions in den Londoner Abbey Road Studios, wo alle Songs von "Halluzinationen" unter der Regie von Dan Carey in einem Take eingespielt wurden.
Jetzt also kein Naserümpfen und Brauenhochziehen, sondern wertfrei das neue Material der Wahlberlinerin genießen.

www.sophiehunger.com

3 Schwestern aus Aarhus

Drei Schwestern aus Aarhus ist ganz und gar nicht der Titel eines dänischen Märchens. Die 3 Schwestern aus Aarhus sind überaus real und nebenbei schön laut. Noa, Naomi und Nataja haben sich zu Velvet Volume zusammen getan, tun aber alles dafür, nicht samtig zu klingen. Velvet Volume bieten allerfeinste Gitarrenmusik mit wechselndem Gesang von Noa und Naomi und facttenreichen Drums von Nataja.
"Carry" ist nun schon die zweite Single aus dem kommenden Album "Ego's need", das Ende des Monats für euch zu haben ist. Das neue Album hat nach Aussage der Band einen mehr melodiösen und soften Ansatz als das Debütalbum "Look look look". Aber es besteht kein Grund zur Annahme, dass Velvet Volume sich zur Mädchenpopband entwickelt. Sonst hätte man sich beim Rockpalast sicher nicht entschlossen, den Bonner Auftritt im letzten Jahr beim WDR ins Programm zu nehmen. Es ist immer noch eine Auszeichnung, beim Rockpalast eingeladen zu sein. Sozusagen ein Rockpopmärchen...und schließlich ist die Band bei Mermaid Records unter Vertrag!

www.instagram.com/velvetvolume

Bei Anruf: Tod

Lieder, die den Tod mit gebührender Melancholie, aber mit konzentrierter Klarheit behandeln, sind nicht häufig. Dass der norddeutschen Kapelle Helgen solch ein Song gelingt, ist jetzt nicht wirklich überraschend. Helgen haben wir an dieser Stelle fast schon über Gebühr gelobt. Nun muss man noch einen Tacken mehr Lobhudelei draufsetzen. Mit "Tschüss" erscheint die nächste Single aus dem bald erscheinenden, zweiten Album "Die Bredouille". Diese Single ist schlicht und umwerfend.
Ein sparsamer Rhythmus, der unauffällige Synthieflächen unterlegt. Dazu Lyrics, die tatsächlich auch Lyrik sind. Alles unaufgeregt, sehr schlicht, schlicht umwerfend. Mit "Tschüss" schafft man es möglicherweise, irgendwann einmal zu gehen, ohne zu fragen warum. Weil halt Weltraummüll auf dein Haus fiel oder eben das Leck am Gashahn. Aber vorher, hör dir das bitte nochmal an.

www.helgenmusik.de

Electric Africa

sUb modU pidginsynths1Ein Italiener aus dem Aostatal/Italien, der in Berlin/Deutschland lebt und nun elektronische Berbeitungen von Stücken des Großmeisters Fela Kuti aus Lagos/ Nigeria veröffentlicht. Auf einem Label aus Brighton/England. Gibt es ein besseres Beispiel für Globalisierung?
sUB_modU ist klassisch geschult, aber seit jeher angefixt vom afrikanischen Sound. Jetzt hat sich der Italo-Berliner für seine aktuelle EP mit Stücken und generell mit dem Sound Fela Kutis aus den 70er beschäftigt. Und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, den deutlich bläserlastigen Sound Kutis mit modernen, elektronischen Geräten adäquat zu reproduzieren. sUB_modU aka Romeo Sandri hätte daher keinen besseren Albumtitel als "Pidgin synths" erfinden können.
"Afrobeat ist sehr weit von von elektronischer Musik entfernt, hat aber unüberhörbare Eigenschaften", sagt Romeo zu seinen Versuchen. Mit "Pidgin synths" ist ihm eine sehr spannende Synthese gelungen, die Elektronikfans nicht verschreckt und Afrobeat-Liebhaber aufmerken lässt. Es ist ein wenig, als würde die Prophezeiung von "Electric Africa" aus dem Jahr 1985 wahr werden. Die Weissagung stammt übrigens von Manu Dibango, der am 24. März den Kampf gegen den Corona-Virus verlor.
RIP Manu and Fela.

www.submodu.bandcamp.com

Traut euren Ohren nicht

boysen mirage coverMorgen veröffentlicht Ben Lukas Boysen das dritte Album unter seinem Namen. "Mirage" ist radikal elektronisch. Auf dem Album ist alles elektrisch, elektronisch oder elektronisiert. Während der Berliner auf den beiden Vorgängern "Spells" und "Gravity" mehr darum bemüht war, elektronsiche Sounds wie handgespielt erscheinen zu lassen, hat er sich jetzt zur Aufgabe gemacht, analoge Instrumente elektronisch zu verkleiden.
"Bei Spells und Gravity habe ich versucht, die Maschinen zu verstecken. Auf Mirage versuche ich nun, das Menschliche zu verbergen", sagt Ben dazu. Das ist ihm gelungen. Obwohl mit Anne Müllers Cello, Daniel Thornes Saxophon und Lisa Morgensterns Stimme menschliche Elemente auf "Mirage" vertreten sind, macht das Album einen komplett digitalen Eindruck. "Mirage" verheimlicht darüber hinaus auch nicht, dass Ben Lukas Boysen inzwischen ein gefragter Komponist von Filmmusik ist. Boysen erschafft sehr sphärische Klangräume im weiten Feld zwischen Klassik und Ambient.
Einen ersten Eindruck verschafft man sich beim Hören der kommenden Single "Clarion".

www.benlukasboysen.com

 

Neue Scheibe von Salami

Wer beispielsweise den Auftritt von L.A. Salami bei Colors gesehen hat, der weiß schon längst, dass die Musik des jungen Briten absolut nackt ist. Unverhüllt, ohne Ballast und reduziert auf das Notwendige, so dass es wie zeitloser Rock'n'Roll klingt. Das neue Stück "Things ain't changed" wirkt dagegen fast opulent. Es ist aber erneut gekennzeichnet von Salamis anspruchsvollen Lyrics. Wir können also auch bei dem am 17. Juli erscheinenden Album auf intellektuelle Erlösung hoffen, wie bereits der Titel "The cause of doubt & a reason to have faith" vermuten lässt.
L.A. Salami erfüllt damit alle seine Vorlieben. Zwar liebt er die Überlegtheit und Reinheit moderner Musik, vermisst dabei aber das komplette Chaos alter Platten. Daher meint Lookman Salami, dass "das neue Album sehr gut ein Liebesbrief an Lou Reed & The Velvet Underground sein könnte."
Je nachdem, wie die Virenkrise sich entwickelt, kann man L.A. Salami und seine Band im Sommer eventuell in Köln erleben. Es gibt a reason to have faith.

www.lasalami.com