(Clan of) XYMOX - Subsequent Pleasures 1983 - 1985 (Biographie Teil 1/5)

xymox1985Die Verbindung von verträumten Mollharmonien, Ambient, Pop und Elektro-Dance mit der perfekten Eleganz des 4AD Labels machten (Clan of) XYMOX zu einer Ausnahmeerscheinung in der Indepentdent-Wave-Szene der 80er Jahre. Zu Recht gelten die Alben "Clan of XYMOX" oder "Medusa" als Klassiker des 4AD-Labels und des Wave-Genres, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben. Nach Interviews mit (fast) allen Originalbandmitgliedern und letztendlich ausgelöst durch einen Streit um den Eintrag zur Band auf der englischsprachigen Wikipedia -Seite, gibt es jetzt hier auf unruhr.de eine eigene XYMOX Biographie. (in English).

Ziel ist es die Geschichte der Band anhand von Erinnerungen aller Originalbandmitglieder Revue passieren zu lassen und nicht zum x-ten Mal die von Sänger Ronny Moorings bekannte XYMOX-Story nachzuerzählen. Diese Biographie ist nicht abschließend, das Ende ist subjektiv gesetzt und ist gleichzeitig das Ende meiner persönlichen XYMOX-Geschichte.

Nijmegen, Niederlande in den frühen 80ern: Inspiriert von der musikalischen Aufbruchstimmung und vom DIY-Gedanken des Punks, begann Ronny Moorings mit selbstzusammengeklebten Tape-Loops zu experimentieren. Als Anregung diente die Neue Deutsche Welle, die zu jener Zeit mit Künstlern wie DAF, Geisterfahrer oder den Einstürzenden Neubauten über die Grenzen in die Niederlande schwappte. Gleichzeitig breitete sich die britische Post-Punk-Welle mit Gruppen wie Bauhaus, Virgin Prunes, The Cure oder Joy Division auf dem europäischen Festland aus und hinterließ auch bei Ronny Moorings deutliche Spuren. Aber nächtliches Herumbasten an Tapes, die keiner je hören würde, genügte ihm nicht, er wollte seine eigene Band haben und Teil dieser neuen Welle werden. [1] 

Als er wenig später Anke Wolbert traf, beschlossen beide gemeinsam Musik zu machen und nannten sich XYMOX. Der Name ist eine Abwandlung des Wortes "zymotic", das in Großbuchstaben geschrieben ein markantes, stacheldrahtartiges Aussehen hat. Anke spielte Bass, Ronny Gitarre und Synthesizer und mit Hilfe eines Drumcomputers nahmen sie einige simple auf wenige Akkorde beruhende Songs auf. In Nijmegen teilte sich Ronny mittlerweile seine WG mit einem neuen Mitbewohner namens Pieter Nooten, der kurze, punk-artig gefärbte Haaren trug und ebenfalls einige Synthesizer, eine Drumbox und ein Vierspuraufnahmegerät besaß. Noch machten beide alleine Musik und tauschten nur ab und an einige Instrumente untereinander aus.

Nach dem Umzug von Ronny und Anke nach Amsterdam schrieben sie zusammen Material für ihre erste EP „Subsequent Pleasures“, die im 8-Spur-Tonstudio Octopus Records aufgenommen wurde. Die Songs wurden mit Hilfe von Yamaha Synth, Pieters Rhythmus Box, Gitarre, Bass, Mikro und Space Echo dabei größtenteils per Hand eingespielt. Die Veröffentlichung von "Subsequent Pleasures" im Jahr 1983 erfolgte komplett in Eigenregie in einer 500er Auflage. Auch das Cover-Artwork wurde von Anke selber erstellt und mittels Siebdruck gefertigt (1). [1]

subsequentDas Mini-Album zeigt einen sehr rohen und minimalistischen Entwurf von XYMOX. Einfache Drumbeats, wenige Akkorde umfassende Songs, bei denen entweder Synths („Going Round“, „Call it Weird“) oder Gitarren („Strange 9 to 9“, „Muscoviet Mosquito“, „Absymal Thoughts“) dominierten. Alles sehr sparsam instrumentiert, aber in seiner Unfertigkeit sehr charmant. Während meist Ronny mit leidender Cure-artiger Stimme den Weltschmerz besang, übernahm Anke bei „Call It Weird“ die Vocals. Mit dünner Stimme singt sie über die Synthesizer im Endlos-Loop, die eine merkwürdige Atmosphäre zwischen hypnotisch, dilettantisch und psychedelisch erzeugen. Noch radikaler ist "Going Round" mit seinen Schleifen, die wie eine nicht enden wollende Karussellfahrt im Suff oder wie Andreas Doraus "Fred vom Jupiter" auf 45 rpm klingen.  Beide Songs wurden wie die ganze EP zu Klassikern des Minimal-Waves, auch wenn "Going Round" als "disaster of a song, with inane tuneless lyrics bolstered by inept synthesizer backing" [2] verissen wurde. Auch der spätere Band-Klassiker "Muscoviet Mosquito" wurde auf "Subsequent Pleasures" erstmals veröffentlicht, allerdings in einer noch recht rudimentären Fassung, die eingespielt mit einer Melodica-Melodie noch deutlich langsamer und dunkler war, als die beiden späteren Neuaufnahmen.

Die Band sah die EP im Rückblick als "Jugendsünde" [3] an und soll den Vertrieb gestoppt und sogar selber viele der 500 Exemplare vernichtete haben [4], was erklären könnte, warum das Mini-Album im Original zu utopischen Preisen auf Plattenbörsen gehandelt wird. 

xymox1985_1Die Platte sorgte aber für ein wenig Aufmerksamkeit für das noch junge Projekt und ermöglichte einen Auftritt in Paris. Für den Auftritt konnte Ronny seinen alten WG-Bewohner Pieter Nooten als weiteres Bandmitglied gewinnen. Pieter spielte Keyboards, Anke Bass sowie einige Melodien an den Keyboards, Ronny sang und spielte Gitarre. Pieter brachte auch eine Menge Songideen und Demos mit in die Band, an denen XYMOX in der Folge weiter arbeiteten und ihr Songrepertoire erweiterten.  

Vor einem Konzert der Cocteau Twins in Nijmegen traf Ronny durch Zufall auf das Duo Dead Can Dance, das die Cocteau Twins als Support-Act begleitete. Die sich daraus entwickelnde Freundschaft konnten XYMOX für sich als Sprungbrett nutzen, brachte ihnen die darauf folgende kurze Tournee beider Gruppen durch England neben mehr Bekanntheit auch einen Plattenvertrag mit dem britischen Label 4AD ein, dem das inzwischen neu eingespielte Demomaterial gefiel. [5]

Nach drei Konzerten zusammen mit Dead Can Dance verließ Pieter das XYMOX-Projekt aufgrund persönlicher Probleme. Pieter wurde für kommende Live-Auftritte durch Frank Weyzig an den Keyboards ersetzt. Frank: "I was rehearsing in
promcox02Amsterdam with one of my own projects in the same building as Xymox was. They were looking for someone to replace Pieter Nooten who at that time didn’t want to play anymore… I met Ronny and Anka, we had a sort of click and since I played guitar as well as keyboards they asked me to join them
". [6] Kurz vor den Aufnahmen zum ersten Longplayer „Clan of XYMOX“ in den Palladium Studios in der Nähe von Edinburgh kehrte Pieter zurück, wodurch Frank die Gitarren-Parts übernahm. Mit Jos Heijnen setzten XYMOX erstmals einen Live-Schlagzeuger ein, der jedoch noch während der Albumproduktion aus dem Line Up ausschied und durch einen Drumcomputer ersetzt wurde. [6,7] 

Das Album (CAD 503) erschien im Juni 1985 bei 4AD. Zu dieser Zeit hieß die Band übrigens immer noch XYMOX, erst nach der Veröffentlichung wurde der Name des Albums, "Clan of XYMOX", auch als Bandname verwendet - zumindest für die nächsten 2 Jahre.

xymox_aday"Clan of XYMOX" verband britische Düsternis mit kontinentalen Elektro-Beats, die trotz aller eindringlichen Melancholie und gefeierter Trauer auch immer ein großartiges Popgefühl aufblitzen ließ. Durch den Gesang aller drei Bandmitgliedern klang das Album sehr facettenreich, ohne allerdings die Liebe zu Bands wie "New Order" oder "The Cure" ganz verbergen zu können. In ihren besten Momenten (und davon gibt es auf dem Album viele) schafften XYMOX eine perfekte Mischung aus intensiver Atmosphäre, distanzierter Dramatik und verfremdeten Wave-Gitarren, die sich in den Synthie-Klängen verlieren, bis man nicht mehr weiß, was Gitarre und was Synthesizer ist. "Cry In The Wind" mit dem faszinierenden  Gitarrensolo, gespielt und geschrieben von Frank Weyzig, ist ein Beispiel hierfür, der Ambientsong "Equal Ways" oder der schwebende Elektro-Pop von "No Words" weitere. Mit "A Day" und dem an New Orders "Blue Monday" erinnernden "Stranger" waren zwei Elektro-Dance-Hymnen auf dem Album, die auch später remixed als 12" (BAD 506) erschienen und der Band große Aufmerksamkeit brachte - nicht zuletzt durch das Video zu "A Day", welches erfolgreich bei MTV lief.

Das Album wurde ein Erfolg, die Kritiken waren bis auf die ewigen New Order-Vergleiche gut bis sehr gut und so dauerte es nicht lange bis John Peel auf die Holländer aufmerksam wurde und sie zu einer ersten Peel-Session am 04.06.1985 einlud. Eine zweite Session folgte im November 1985. Diese Peel-Sessions von XYMOX wurden 2001 von Strange Fruit auf CD herausgebracht.

xymox_ankeNach Veröffentlichung des Albums gingen Clan XYMOX auf ausgiebige Tournee durch Großbritannien und Kontinentaleuropa. Live klangen XYMOX aggressiver als auf der Platte, "stellenweise wie The Chameleons" wie Spex 1985 empfand: "Teilweise vergaßen sie den Synthie und den Drum-Computer über eine Drei-Gitarren-Front, manchmal sogar mit einem Anflug von Spontaneität, obwohl das Konzert planmäßig im Tape- und Computernetz gefangen abgespult werden musste. Die Zugaben bedeuteten so eine Wiederholung des Programms. An dieser Planung scheinen sie sich wie an einem Strohhalm festzuklammern“. [8] Neben den Songs ihres Debüt und "Muscoviet Mosquito" von "Subsequent Pleasures" spielten XYMOX mit "Louise" und "Move The Glass" auch zwei neue Songs. Leider erschein "Move The Glass", dass von Frank Weyzig geschrieben wurde, trotz beeindruckender Intensität und Dramatik, nie auf einer Platte und ist von daher ein gesuchter Song auf alten Live-Bootlegs. Ronny: "Move the Glass" was a new song in 85 but it just did not work in the studio to make it a proper song, I guess I just forgot about it and never tried to work it out again." [9] Dagegen war "Louise" bereits ein Ausblick auf das nächste Album, das Ende 1986 erscheinen sollte und zu XYMOX beliebtestem Album wurde.



Clan of XYMOX - Move the Glass (unreleased - live 1986 in Krefeld/GER)

part 2: Medusa (1986 - 1987)
part 3: Imagination (1988 - 1991)
part 4: Metamorphosis (1992 - 2001)
part 5: Vaselyn, Hypercycle, Born for Bliss (Post-XYMOX)

Quellen:
[1] Ronny Moorings: The Xymox-Story - in: Gothic II, 2002, ISBN 3896023969.
[2] Rick Anderson: Subsequent Pleasures - AMG, http://www.allmusic.com/album/subsequent-pleasures-r307125/review, retrieved: 27.02.2011. 
[3] Xymox - Subsequent Pleasures - Pseudonym Records, 1994.
[4] unbekannt: Subsequent Pleasures - Discogs, http://www.discogs.com/Xymox-Subsequent-Pleasures/release/429618, retrieved: 27.02.2011.
[5] Jeff Keibel: "Moving Forward: A conversation with 4AD founder Ivo Watts-Russell" -  Facing The Wrong Way, 2009, http://www.fedge.net/ftww/interviews-ivo_02.html, retrieved: 03.03.2011.
[6] Phil: Frank Weyzig (Born for Bliss, White Rose Transmission etc.) - gothicrock.ru, 2010, http://gothicrock.ru/din/e107_plugins/content/content.php?content.264, retrieved: 05.03.2011.
[7] Wikipedia: Clan of Xymox - http://de.wikipedia.org/wiki/Clan_of_Xymox, retrieved: 27.02.2011.
[8] Bernhard Raestrup: Nicht Picasso - Spex, 1985.
[9] Mic: Clan of Xymox: "Enchant me, mesmerize me" - unruhr.de, 2004, retrieved: 27.02.2011.

Links:
unruhr-Interview Ronny Moorings 2004
unruhr-Interview Anka 2005
unruhr-Interview Pieter Nooten 2006
unruhr-Interview Pieter Nooten 2010
unruhr-Interview Bert Barten 2010
unruhr-Tongrube: XYMOX - Blind Hearts

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