Die Türen im Cosmotopia, Dortmund, 10. September 2004

Es war nur ganz verschämt und nebenbei angekündigt worden, wo man es auch suchte, es versteckte sich: das kleine, aber delikate Garderobenkonzert während der cosmotopischen This-is-it-Party. Man traute wohl der Dortmunder Subkulturszene nicht so recht über den Hohlweg. Irgendwann ab zehn Uhr sollten sie spielen. Die schon jetzt legendären Türen. Live.

Die TürenGegen elf liefen sie auf, setzten sich erst mal entspannt in den noch leeren kunstrasigen Biergarten des Cosmo und versprühten ihren münsterlandisch-berlinerischen Kombicharme. Das war verdammt subversiv, vor allem als eine nordwestfälische Delegation in Busstärke auftauchte und sich mit großem Wiedersehenshallo zu den Hauptstadtexilanten gesellte. Ein Tisch reichte nicht aus und so setzten sich auch einige an unseren Tisch, um zu nerven.

"Ey, was ist eigentlich Marketing?" fragte mich ein nicht mehr ganz gegenwartsgewärtiger Zeitgenosse, der seine Jacke eingerollt in einer Plastiktüte bei sich trug. Häh? Später erklärte er mir dann noch, dass er Shirts mit V-Ausschnitt scheiße findet. Das war immerhin ein Fortschritt. Währenddessen nutzte er die ganze Breite der Biergartenbank, so dass Redaktionskollege Lubi gefährlich nah an die Außenkante gedrängt wurde. Die TürenGeduldig ertrug er das Martyrium und ich das Gelaber, das im Nachhinein jedoch als assoziatives Gedankengewitter zu bewundern war. Seine Freundin mit den Chucks war immerhin ganz nett und nüchtern.

Gegen halb eins verschwanden die Türen in den Katakomben, um ihre Metamorphose zu durchlaufen. Aus den netten Jungs aus dem Biergarten wurden die Oberchecker der Rampenkante. In der kleinen Garderobe hatten sich vielleicht 50 Leute versammelt, um zu hören, wie die Türen knallten. Nicht alle ahnten, was ihnen bevorstand, und das erste Stück trug nicht unbedingt zur Aufklärung bei. Butterweich schmusten die Türen zunächst ihr "Mädchen meiner Träume" in die Massen. Schlageradatsch. Das Publikum war teils irritiert, teils belustigt, abgesehen von dem Vollidioten, der der Meinung war, seine überschüssigen Moschusochsen-Hormone in einem provozierenden Fastgeprügel ausquetschen zu müssen.

Die TürenFest stand aber jetzt schon: Sänger Maurice Summen war mutiert. In dem blonden Dorfgesicht war das Bühnentier erwacht und changierte zwischen John-Travolta- und Iggy-Pop-Pose. Das rollte. Die Songs fetzten mehr als auf dem Album und der Sound war für eine derartige Dürftiglocation erstaunlich gut. Das etwas träge Dortmunder Publikum starrte ehrfürchtig auf die zappelnden Türen und zollte ihnen teils mit offenen Mündern, teils mit offenen Augen und teils mit offenen Ohren Respekt. "Öde an die Freude", "Das Ende der Woche", "Tschüss", "Nicht mit den Türen knallen", "Türenstern", "Trauriger Skinhead". Das Türenuniversum dehnte sich aus und ließ die Garderobe fast platzen. Wer den Türenmix aus Punk, Synthgroove, Rock'n'Roll und Sauersoul nicht kapiert, hatte hier eh nichts verloren. Der Schweiß floss, so dass Maurice Summen sich berufen fühlte, sein Mineralwasser in die ersten Reihen zu ergießen. Das brachte das Publikum zwar auch nicht recht in Durchzug, erhöhte jedoch merklich die Luftfeuchtigkeit.

Die TürenEine gute Stunde bliesen uns die "Spacken aus Berlin" - "Kein Geld, aber Disco" - ihre Sicht der Dinge ins Gesicht und es war ein verdammt frischer Sturm. Ehrlich Leute, es war gut. Solltet ihr jemals in die Nähe der Türen gelangen: Geht hin und schaut-hört euch das an. Hier werden auf engstem Raum Ketten gesprengt, sprachlich, gedanklich, schnuckelich und irgendwie ironich - so gar nicht nihilistisch. Denn: Neue Musik braucht das Binnenland.

Links:
Die Türen
Staatsakt (das türeneigene Label)


Fotos: mh