Fischer-Z - Red skies over paradise (1981 Liberty Records)

Ich wusste nicht, was es war, das den Weg durch den muffigen Mief in mein Ohr fand. Ich fragte die coolen englischen Jungs nicht. Vermutlich hätte ich auch den Namen nicht verstanden: Fischer-Z.

Wir teilten uns das Zimmer in der Brüsseler Jugendherberge mit vier englischen Jungs, die übrigens nicht anders rochen als wir. Die Luft stand zwischen den Etagenbetten, auf denen wir lümmelten, die Schuhe ausgezogen, wie Mama uns eingetrichtert hatte. Acht Paar weiße Tennissocken produzierten stinkige Käseluft, die prächtig mit dem nach erkalteten Wirsing riechenden Pubertärschweiß harmonierte. Es war Sommer.

Eine schneidende Stimme war das Einzige, was die dicke Luft durchdrang: „They claim the ultimate solution / to all the problems that we face / it’s pointing rockets at the Russians / and hope they don’t end up in Greece.“ Ich wusste nicht, was es war, das den Weg durch den muffigen Mief in mein Ohr fand. Ich fragte die coolen englischen Jungs nicht, was da aus ihrem Casettenrecorder emittierte. Ich wollte mich nicht blamieren.

Vermutlich hätte ich den Namen auch nicht verstanden: Fischer Z. Wieder zu Hause, war bereits Marliese in den Charts. Die eindringliche Stimme von John Watts erkannte ich sofort wieder. So war es nicht schwer, die Red skies over paradise benannte und selbstverständlich rote LP in den Regalen zu finden. Fischer Z’s Mischung aus Pop-, Rock- und Reggaeelementen zählte man damals zum sogenannten New wave. Ein Topf, in den auch The Police gehörte. Doch Fischer Z war härter, kompromissloser, schneller, geiler als Sting & Co. Schlagzeug, Bass, Gitarre und wenig Keyboardsounds beackerten das Trommelfell. Das dritte Album der Engländer zeichnete sich zudem durch John Watts’ exzellentes Songwriting aus. Diese immer kurz vorm Umkippen stehende Stimme drang bis in die letzte Hirnwindung. Da stand einer im karierten Anzug und brüllte dir Ostermarschthematik ins Gesicht. Atombombenangriffe (Red skies over paradise), Cruise Missiles, multinationale Macht (Multinationals bite), transportiert in eleganter und einfallsreicher Songstruktur, jenseits der Poesie selbstgefärbter Windeln. Sollten wir tanzen oder die Texte auswendig lernen? Eine perfekte, geistreiche Verknüpfung politischer und sozialer Inhalte wie beispielsweise in Berlin, In England oder Battalions of strangers im Zusammenwirken mit emphatischen Poppunkreggaewaveklängen garantieren dem Werk einen ewigen Ruhmesplatz.

Nach diesem Album von 1981 löste sich das Original-Line-up von Fischer Z (Steve Liddle, John Watts und David Graham) auf. John Watts machte solo weiter und acht Jahre später veröffentlichte er unter dem ursprünglichen Namen. Die Qualität von Red skies blieb aber unerreicht.

http://www.fischer-z.com/

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