mclusky - The difference between me and you is that I'm not on fire (Too Pure Records)

Es kann sehr kurzweilig sein, in Musikpostillen Plattenkritiken zu lesen. Da behauptete doch Till Stoppenhagen vom Intro in seiner Kritik zu mcluskys neuer Tonkonserve, Sänger Andrew Falkous überzöge die Michael Schenker Group und Placebo mit dem Album-Opener "Without MSG I'm nothing" gleichermaßen mit Spott. Zugegeben: Ich dachte assoziativ auch zunächst an Michael Schenker, was vermutlich alters- und sozialisationsbedingt ist. Aber Placebo? Nur wegen einer ähnlichen Textzeile? Gewagte Hypothese.

McluskyErheitert las ich gleich anschließend bei Unclesally's, wie Andrew Falkous im Interview mit Dietmar Storck "MSG" mit Monosodiumglutamat übersetzte (zu deutsch: Geschmacksverstärker) und darauf seinen recht massigen Körperbau zurückführte. So liebreizende Zeilen wie "I get my MSG from digital TV" entfalten mit diesem Wissen erst ihre ganze Tiefe.

Man muss jedoch zugestehen, dass sich das Kracher-Album der Waliser ohnehin nicht ganz so einfach erschließt. Ich gestehe auch freimütig, dass ich die ersten beiden Alben von McLusky nicht kenne und allenthalben hören muss, dass der Vorgänger "Do Dallas" gewissermaßen ein einziger Schlag in die Fresse gewesen sei und das neue etwas ruhiger daherkomme. Mag sein. Man kann den Jungs von mclusky aber auch in ihrem dritten Werk kaum unterstellen, dass sie einen unskeptischen Blick auf die Wirklichkeit werfen. Und deswegen klingt hier gar nichts glatt und durchsichtig.

Geschliffene Produktionstechniken oder Arrangements? Fehlanzeige. Der Wille zum guten Ton? Nichts davon. Posermucke? Das erklärte Feindbild.

Produzenten-Gott Steve Albini (Nirvana & Co.) hat seine Duftmarke hinterlassen. Und es riecht nach ganz heißem Scheiß. Rüde und livelike. Ganz so, wie es die Waliser wollten. Was in leise Ahnbarkeit abgleitet, kann plötzlich in schreckliche Notengewalt umschlagen, inklusive Rückkopplung, Stöhngeschrei und Dumpfdumpf. Da brechen sich ungeheure Energien Bahn, rasen aus dem Nichts ins Hier und rotzen dir ins Gesicht. Dann entdynamisiert es sich wieder und offenbart eine fast sanfte Seite. Alles in allem: Pures Leben.

Da ist nichts beschönigt, nichts auf massentauglich getrimmt, nichts falsch. Und irgendwie wird man das dumpfe Gefühl nicht los (und ich meine dumpf), dass man diese Band live sehen muss, so live wie nur möglich. Lasst euch von der Bühne aus anbellen, lasst euch sagen, was Sache ist. mclusky blasen euch die Flausen aus dem Kopf und bringen euch auf Grundeis. Arschhart.

So geht's auch gleich los, mit jenem offenbar vieldeutigen "Without MSG I'm nothing". Eine der besten Nummern, die ich seit langem gehört habe, mit einem ebenso schlichten wie schrägen wie hypnotisierenden Gitarrenlauf auf Groll-Basis. Darüber ein Gesang, der teilweise einem indianischen Schlachtruf gleicht. Danach punked es einem mit "That man will not hang" so dermaßen in den Pansen, dass es rülpst. Und dann - wie aus dem Nullraum - hebt mit "She will only bring you happiness" plötzlich ein Popsong an, der hitverdächtig wäre. Gäbe es nicht Zeilen wie "Our old singer is a sex criminal". Allein wegen dieser ersten drei Nummern muss man dieses Album haben. Danach hätte auch Schluss sein können. Niemand hätte sich jemals beschwert.

Doch das Leben geht weiter. Kostproben? "I think you gave us everything that we could ever ask of a little racist shop" - "your children are waiting for you to die" - "together we'll save his balls from fire" - "keep your killing clean my love". Musik und Texte krachen, fiepen, aber melodieren auch immer mal wieder. In einigen Songs wird die Dynamikschraube fast überdreht. Sekundenlange Stille mitten im Lied. Ist die CD kaputt? Du drehst den Lautstärkeregler auf. Da flüstert doch jemand… Zong!!! Gibt es einen mit der Noise-Keule auf den Hirnkasten. Ein Tornado fährt übers Land. Du suchst verzweifelt nach Schutz, musst dich an ein Gatter krallen. Doch du bist ausgeliefert, weil es dich buchstäblich zerpulvert.

Andy Falkous (git, voc), Jack Egglestone (dr) und Jon Chapple (ba, git, voc) sind weit entfernt von den Hyperposern a la Ash oder The Vines. Und damit ganz weit vorn und ganz nah an der Seele dessen, was einmal diese Musik bewegt hat. Von welcher Musik ich rede? Kauft euch diese CD und ihr wisst, wovon ich rede. The difference between me and you is that you're not yet on fire.

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