Angelika Express - Alltag für alle (Paul/Sony)

Wie nicht anders zu erwarten, wird die Neue der Angelika Expressionisten von einigen Puristen runtergequasselt. "Typisches zweites Album", hört man da. Oder: "Nix Neues." Oder: "Klingt wie die Ärzte." Das soll natürlich eine Beleidigung sein.
"Und jetzt auch noch im Kommerz-Vertrieb bei Sony. Und dann der unerträgliche Hype bei EinsLive. Nur weil die Jungs aus Köln sind!"

RIPSeltsam, dass erfolgreiche Bands sich immer gleich rechfertigen müssen. Kotzt euch das nicht auch manchmal an? Deswegen werfen wir mal ein schmalzfreies Ohr auf den "Alltag für alle".

Immerhin: Viele loben die technisch ausgereiftere Produktion des neuen Albums, das auf den schepprigen LoFi-Sound des letzten verzichtet. Leider, denn dieser räudige Boheme-Rooaar war das erste, was mir an Angelika Express gefallen hat. Doch mit dieser Meinung stehe ich wohl alleine da.

Es gibt aber auch Wichtigeres, z.B. dass die Songs pointiert und i-getüpfelt wie eh und je rüberkommen. Robert Drakogiannakis, der die meisten Songs schreibt und dem ich im Interesse der tippenden Journaille eine Namensänderung empfehle, changiert seine Kompositionen zwischen unbeschwert-abiturientisch, kunstpoppig und punky. Das ist für Kölner Verhältnisse manchmal ungeheuer witzig-assoziativ und nervt nur dann, wenn der bloße Effekt etwas über den Gehalt triumphieren soll (so wie in dieser Kritik auch).

Die ersten sechs Stücke sind eine gelungene Reihung und muss man durchhören. Höhepunkte: Der Lospolterer "Es ist Zeit" gleich zu Beginn und "Nico Päffgen". Im Mittelteil wird es etwas poppiger und die Songs erinnern kompositorisch teilweise so stark an die seligen Housemartins, dass ich manchmal schon Zweifel hatte, ob das noch mit rechten Dingen zugeht, z.B. bei "Schenke mich" oder auch "Nimm mich mit".

Der Gastgesang von Claudia Kaiser von den Moulinettes verschafft "Ich bring dich besser um" den nötigen lapidaren Tonfall. Großartig. Und das akustisch gitarrierte "Cocktail für eine Leiche" zum Schluss macht aus dem "Alltag" der Angelikaner eine runde Sache. Vielleicht hätten es zwei, drei Songs weniger auch getan. Man hört sich relativ schnell satt an den allzu flockig-naiven Melodien und wünscht sich manchmal regelrecht eine verkorkste Nummer, um das ganze Album besser einteilen zu können.

Wenn "Alltag für alle" das erste Album von Angelika Express gewesen wäre, hätten sich vermutlich alle ebenso vor Begeisterung auf die Schenkel geklopft wie beim Vorgänger. Jetzt ist es halt das zweite gute Album. Aber - was nicht verschwiegen werden darf: Der Oberlippenbart von Alex Jezdinsky auf dem Coverfoto sieht scheiße aus. Bitte, lasst das nicht wieder zum Alltag für alle werden - soll ja wieder cool sein … muss aber nicht. Also rasiert euch ... zumindest oben rum.

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Bild: Pressefreigabe