Bob Marley de luxe und die Qualen eines aufrechten Verbrauchers.
Ich stehe vor dem CD-Regal im Plattenladen meines Vertrauens und ärgere mich. Eigentlich fühle ich verarscht, doch die Neugier überwiegt, ich reiche 23 über die Theke und verlasse das Geschäft im Zwiespalt meiner Gefühle.
Es geht um die Deluxe-Editionen von Marley-Klassikern, die Island Records auf den Markt wirft. Zunächst konnte man die Doppel-CD Catch a fire erstehen. Die CD 1 enthält die bisher unveröffentlichten jamaikanischen Versionen des 1973er Albums, die zweite CD das bekannte veröffentlichte Album mit den damals in London auf westliche Hörgewohnheiten getrimmten Tracks. Wohlgeplante Abzocke. Denn es ist davon auszugehen, dass jemand, den die jamaikanischen Originalversionen interessieren, echter Fan(atiker) ist und die bisher bekannten Versionen bereits als CD/LP besitzt. Sein Interesse muss dieser dann allerdings durch die Bereitschaft unter Beweis stellen, einen saftigen Aufschlag zu leisten und eine CD zum zweiten Mal zu kaufen. Ähnliches gilt für die Deluxe-Edition von Exodus, die außer der bereits im heimischen Plattenregal vorhandenen CD/LP eine weitere CD mit bisher unveröffentlichten (Live-)Versionen, jamaikanischen B-Sides usw. enthält.
Hat man seinen Zwiespalt überwunden, wird man allerdings mit einigen Perlen belohnt. Catch a fire lässt nicht nur das alte Zippo-Cover auferstehen, sondern dokumentiert eindrucksvoll, worin Bob Marleys großer musikalischer Erfolg gerade außerhalb Jamaikas begründet war und ist. Sehr spannend, zu hören, wie die Ursprungstracks in London auf den damaligen Mainstream-Musikgeschmack angepasst und dadurch der spätere Style Bob Marleys entwickelt wurde, der auch davon lebte, sich nicht zu weit von den Wurzeln entfernt zu haben. Eine Anfängerlektion in music business: Wie mache ich einen Superstar. Darüber hinaus gibt es ein weniger bekanntes Stück der Wailers, das den Sprung auf die euro-amerikanische Version nicht geschafft hat und vielen erst durch eine Version Stephen Marleys von 1999 bekannt wurde: All day all night.
Auch Exodus besticht durch Liebe zum Detail. Das CD-Cover ist wie die damalige LP-Hülle ertastbar. Zudem richtig gute Versionen bekannter Stücke, z. B. Jamming, Version (instrumental), die deinem Ohr die ganze Klasse der damaligen Band eindrucksvoll dokumentiert, allen voran die der Barrett-Brüder an Drum & Bass. Dazu Punky Reggae party und Keep on moving inkl. Dubs aus 1977er Sessions mit Lee Scratch Perry. Murder combination!
Man ärgert sich im Nachhinein also nicht mehr ganz so sehr, dass man sich das Geld hat so leicht aus der Tasche ziehen lassen, doch ein fader Beigeschmack bleibt. Sie verkaufen uns Dinge, die wir schon haben, als Zugabe etwas Unbekanntes, ein nettes Beiheft, schöne Verpackung und kassieren dafür noch mehr ab. Eine Demonstration guten Marketings und Verkaufs. Wir sind einfach zu doof.
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