Es ist das inzwischen vierte Bob Marley Album in der deluxe-Variante. Wiederum bedeutet dies, man verkauft uns Objekte für teures Geld, die wir schon längst haben, denn es locken Dinge, die wir bisher nicht bekommen konnten. Es ist ein bisschen wie wählen gehen. Wir wissen genau, dass man uns nach Strich und Faden bescheißt, droht uns - wenn wir aber nicht gehen - mit Szenarien, die wir nicht haben wollen. Also habe ich die CD gekauft....habt ihr das jetzt verstanden?
Im Klartext: Das Album deluxe besteht aus der im Oktober 1973 veröffentlichen LP Burnin der Wailers, deren zweite, zuzüglich einiger Songs aus den Aufnahmesessions, die nicht den Sprung auf das Album geschafft haben. Sie sind später auf den ersten Soloarbeiten von Peter Tosh und Bunny Wailer in überarbeiteten Versionen erschienen. Bis hier also nicht kaufenswert, wenn man die Originale bereits besitzt.
Das eigentliche Leckerchen der Burnin deluxe edition ist allerdings CD Nr. 2. Sie enthält einen Livemitschnitt aus Leeds vom November 1973. Die Gründer der Wailers Bob Marley, Peter Tosh und Bunny Wailer haben sich bekanntlich Ende 1973 getrennt und setzten ihre Karrieren mit unterschiedlichem Erfolg allein fort. Dieser Livemitschnitt dokumentiert somit einen der letzten gemeinsamen Auftritte. Allerdings hatte sich Bunny zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem ungemütlichen englischen Winter ins sonnige Jamaika verabschiedet, so dass die Wailers in Leeds nur noch eine 5-Mann-Reggaekapelle (Carly Barrett/dr, Familyman Barrett/b, Wya Lindo/kb, Peter Tosh/g, Bob Marley/g) waren und wir wahrscheinlich den letzten, auf Tonträger gebannten Auftritt von Marley gemeinsam mit Tosh vor Ohren haben.
Soweit die Rahmenbedingungen. Aber auch musikalisch erwartet den Hörer Einzigartiges. Denn auf der deluxe-Ausgabe von Catch a fire (2001) wurde bereits vorgeführt, wie die jamaikanischen Originalaufnahmen der Wailers in London mit zahlreichen Overdubs auf westliche Hörgewohnheiten getrimmt wurden. Die Fünfercombo in Leeds hatte jedoch gar nicht die Möglichkeiten, das vollständig live umzusetzen. So hören wir eine raue, ungehobelte Reggaevariante, die sich aufgrund der beginnenden internationalen Erfahrung der Wailers allerdings deutlich von gleichaltrigem jamaikanischen Material unterscheidet. Karibische Volksmusik unterwegs zu europäischem Erfolg. Das muss vor 30 Jahren wie eine Bombe hier eingeschlagen haben. Die damalige Medienlandschaft musste eigentlich zur Folge haben, dass viele Leute niemals vorher derartige Musik gehört haben. Es ist heute unvorstellbar, etwas tatsächlich bisher noch nie Dagewesenes zu hören. Ich bin neidisch!
Wer also nur ein Fünkchen Sympathie für Reggae aufbringt, muss sich dem Konsumterror beugen und diese Doppel-CD kaufen. Koste es, was es wolle.
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