Die Kassierer im Zero Arnsberg, 18. Juni 2004

ImageEinmarschmusik, eine sonore Stimme von Band verkündet den Einzug der mächtigen Kassierer. Bekleidet und mit einer Pulle Bier in der Hand bahnen sich die vier Profi-Proleten ihren Weg an den zahlreichen Backstage-Fans vorbei vor das jubelnde und kreischende Publikum. Hey Leute, das sind nicht die Backstreet Boys - nicht wirklich…

"Ich begrüße Sie ganz herzlich im Sauerlandstern Winterberg", flegelt Sänger und Front-Säufer Wolfgang "Wölfi" Wendland in die Menge. Das können wir natürlich nicht auf uns sitzen lassen. Buh, Pfui, Igitt. Und schon geht's los. "Saufen, Saufen, den ganzen Tag nur Saufen" ist das erste Lied der Ruhrpott-Asis. Während einige, unbedarfte Besucher-Naturen angesichts des Textes mit offenen Mündern verharren, lassen es die aus ganz Deutschland angereisten Punks krachen. Es wird gepoged was das Zeug hält. Ein junges Mädchen mit schickem Irokesen-Schnitt verzieht sich kurzerhand auf eine äußere Ecke der Bühne. Blut rinnt in Strömen aus ihrer Nase. Egal, Durst ist Durst. Schleck und die Hand ist wieder sauber. Da ist noch was am Finger. Schleck und weg.

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Auch die restliche Liedwahl der Kassierer überrascht die etlichen hundert Fans nicht besonders. Hier eine Auswahl der sinngeschwängerten Kompositionen: "Ich töte meinen Nachbarn und verprügele seine Leiche", "Mach die Titten frei, denn ich will wichsen", "Außerirdischer, wo ist Dein After". Schlechte Lieder halt, dafür mit reichlich Mitgröhl-Faktor. Die Anzahl der weiblichen Besucher scheiterte an der Fünf-Prozent-Marke - kein Wunder. Und die wenigen anwesenden Frauen trugen es mit Fassung. Was blieb ihnen schon anderes übrig, wenn ein halbnackter Punk sie mit den Worten "Mach die Titten frei, denn ich will wichsen" zum Tanzen auffordert.

Unerreicht und unhygienisch wie immer: Die Bühnenshow. "Kassierer, was ist das eigentlich", fragt Bassist Mitch Maestro mit einer Robin Hood Mütze auf dem Kopf. Genau dies fragte sich auch mein Konzertnachbar - nach eigener Aussage das erste Mal auf einem Kassierer-Gig. Zwei Worte fielen mir nur dazu ein. Obszön und versaut. Und genau in diesem Moment erreichte die kleine Soiree ihren Höhepunkt. Gitarrist Nicolaj Sonnenscheiße entledigt sich seiner Hose, steigt auf ein kleines Podest und krampft seine Arschbacken auseinander. Tiefe Einblicke, auf die ich gerne verzichtet hätte. Der ewig Grimassen-schneidende Drummer Volker streift sich einen Latex-Handschuh über und geht auf Bohrung. Der Handschuh fristete den Rest seines abendlichen Daseins als aufgeblasener Ballon im Publikum. Und die spielten gerne damit.

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Für Volker Kampfgarten, die "alte Drecksau" (so seine Bandkollegen), war es erst der Beginn. Mit runtergelassener Hose nahm er auf einem Hocker vor den Fans Platz und sang von seinen tiefsten Gefühlen und Wünschen. Inhalt: Alte Männer, viel Sex und Kot. Auch Sänger Wölfi ließ nichts anbrennen - die nächsten Lieder bestritt er ebenfalls ohne Jeans.

Und irgendwann war das Konzert zu Ende. Die meisten Leute gingen nach Hause. Oder erstmal Luft schnappen vor der Tür. Wölfi machte da weiter, wo er schon vor dem Konzert angefangen hatte. Er unterhielt sich mit seinen Fans - und vertilgte das eine oder andere Bier. Bereits zwei Stunden vor dem Konzert zechte er genüsslich mit "vernünftigen Leuten" (O-Ton Wölfi) auf dem Parkplatz des Zeros.

ImageWer jetzt meint, das ganze sei nicht zumutbar, vielleicht sogar verboten - der irrt. Ganz offiziell wurde das Treiben der Kassierer als Satire, als Kunst anerkannt. Weder CDs noch die Show sind auf dem Index. Was die Kassierer von ihrer "Kunst" selber halten - das gibt's Interview zu lesen – siehe Rubrik „Geschwätz“.

-mh-

Bilder: mh


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