Yeah Yeah Yeahs in der Live Music Hall, Köln, 03/05/2009



„Das war fast eine klassische Queen-Dramaturgie", war so ziemlich das erste, was mir nach dem Konzert in den Sinn kam. Wer jetzt glaubt, dass das eine Beleidigung ist, irrt.

Wenn Bands aus dem Untergrund durch den Gulli an die Oberfläche gespült werden, surfen sie meist auf einer grandiosen Abwasserwelle aus energetischem Gerotze und brachialem Emotionalgewitter. Bei den YYYs war es mit dem Debüt Fever to tell nicht anders. Doch das ist mittlerweile einige Jahre her und schon beim letzten Album Show your bones hatte Karen O keine Lust mehr, ausschließlich nur zu schreien und zu stöhnen. Jetzt liegt It's Blitz vor, suggeriert einen kurzen, rücksichtslosen Musikfeldzug und ist doch das genaue Gegenteil.

Die Choreographie und Struktur gewinnt gegenüber der Energetik deutlich an überhand. Der Art Punk von Nick Zinner, Karen O und Brian Chase hat sich zum Retro-Wave gewandelt und greift mitunter zum schlichten Pop. Für die Energetik-Puristen mögen sich Abgründe auftun, für Liebhaber von Bands mit Geschichte und Wandlungsfähigkeit beginnt es jetzt erst, spannend zu werden.

Natürlich wird da schnell die Kommerzkeule geschwungen, Kritiker beginnen die akribische Suche nach dem Mehr an Schein als Sein. Vielleicht wären sie im Konzert ein wenig fündig geworden. Karen O tänzelt zwar immer noch in gewohnter Attitüde durch die Songs, spuckt jedoch deutlich weniger und versucht sich an Posen, die allerlei bewusstes Rollenspiel zwischen Muse, Maskerade und Monster vermuten lassen. Auch das Bühnenoutfit, das zwischen Kimono, Raumanzug, Papagei und Mönchskutte changiert, hat sich zumindest teilweise vom oversexed Art-Punk-Girl entfernt. Hinzu kommen gelegentlich die offensichtlich (gut) geplanten Effekte aus Konfettiregen und Licht-ChiChi. Das Konzert weist eine klare Dramaturgie und Dynamik auf, die mich - eben - tatsächlich an Queen erinnert, mit allen Rockismen und retardierenden Elementen, die darin Platz haben.

Nun kann man dieser teilstoten Band einiges nachsagen, nur eines nicht: Das ihre Konzerte schlecht oder langweilig gewesen wären. Wenn sich dann die Intensität der neuen und alten Stücke der YYYs mit einer guten Dramaturgie paaren, kommt Ähnliches dabei heraus: ein guter Gig. Karen O muss nicht mehr exaltiert winseln, um zu wirken. Im Gegenteil: Die tatsächliche Tiefe ihres stimmlichen Ausdrucksvermögens beginnt erst jetzt durchzuschimmern. Davon zeugten besonders die ruhigen Momente, von denen es auf It's Blitz deutlich mehr zu hören gibt, etwa bei Skeletons oder Runaway, die auch live überzeugen. Die Energie von Karen O fließt nicht mehr in überschäumende Exzentrik, sondern in expressive Tiefe.

Zum Glück haben jedoch Nick Zinner und Brian Chase ihren emphatischen Druckrock nicht vollends aufgegeben, sondern sorgen für die laute und teils auch weiterhin brachiale Klanggewalt. In diesen Augenblicken, etwa bei Rich, Gold Lion, Honeybear oder auch dem neuen und mitreißenden Dull Life schwitzen und springen die Halle und O in gewohnter Eintracht um die Wette. Das nunmehr der Vintage-Synth den Druck elektonisch verstärkt, pumpt eigentlich sogar noch mehr Adrenalin aus den Nebennierenrinde. Wer sich darüber beklagt, wird vielleicht schon bald Sätze sagen wie: "Die erste Platte war ja noch super, aber danach sind die immer poppiger geworden." Sein Pech, dass er die ganze Potenz dieser Band vielleicht nicht mehr wahrnimmt. Meine Prognose ist: Da kommt noch was, vielleicht sogar Dinge, die wir nicht zu ahnen gewagt haben. Schaut auf diese Band, hört auf diese Band. Der übergroße Augapfel, der über der Bühne schwebte (leider nicht von roten Lippen umrahmt), gemahnt uns daran.

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