Das erste, was man an diesem jungen Mann wahrnimmt, ist seine bedröhnte Art sich zu bewegen. Adam Green geht nicht auf die Bühne, er watschelt oder geistert - etwas unbeholfen, verlegen und - na ja - bedröhnt eben. Lassen wir mal dahingestellt, ob es sich um eine Natur- oder künstliche Dröhnung handelt. Es passt in jedem Fall zum Image des entrückten Rebellen, der durch provozierende bis abstruse Texte die Menschen zwingt, sich zu entscheiden: pro oder kontra.
Wer Adam Green musizieren oder - besser - singen hört, dem fällt die Entscheidung jedoch leicht. Denn trotz aller Provokation und jugendlicher Rotzerei hat dieser Mann eine hypnotisierende Stimme mit einem geradezu beängstigenden Timbre, das sich live noch intensiver an den Schaltstellen des Gemüts zu schaffen macht als auf Tonkonserven. Mal erheiternd, mal sehnsuchtsvoll, mal rebellisch, mal sarkastisch. Mit dem ersten gesungenen Ton, steht der Saal im Bann dieses Gesangs.
So überrascht es kaum, dass sich zahlreiche jugendliche Wochenendrebellen in Recklinghausen eingefunden hatten, um ihrem neuen Idol zu huldigen. In ungewöhnlicher Atmosphäre: Denn im kleinen Theater des Festspielhauses standen die Stuhlreihen - sorgfältig ineinander verhakt - in Reih und Glied. Es gab Platzkarten. Vor der aufsteigenden, nicht ganz ausverkauften Tribüne breitet sich eine Bühnenlandschaft aus, die wie eine künstlerische Installation vor rotem Hintergrund vor sich hin leert. Erst die Musiker und Techniker werden dieser Wüste später Leben einhauchen.
Die schräge Lebenswelt des Adam Green gibt dabei den Ton an. Seine Poesie packt die Menschen dort, wo es weh tut: Wie bekommt man eine Frau ohne Beine ins Bett? Wer wünscht sich, auf einem Parkplatz vergewaltigt zu werden? Wozu braucht man einen Schwanz?
Greens abstruse Realität ist jedoch nicht etwa ein Paralleluniversum des Anti-Folk mit Punk-Attitüde, sondern unsere Welt ohne das beschönigende Heititei des politisch Korrekten. Green lüftet diesen Schleier mit schrägem Humor, mit Ironie, einem entwaffnenden Schlafzimmerblick und gnadenloser Offenheit - wie es einem echten Rebellen gebührt. Das wirkt zum Glück nie aufgesetzt. Und wenn er seine Fans zum Tanz auf die Bühne bittet - dance with me - ist das wohl so etwas wie eine Verbrüderung im Geiste.
Seine Band bastelt dazu ein nettes Set aus akustischer Gitarre, Bass, Tasten und Schlagzeug - etwas schlichter als die aufwändigeren Arrangements des letzten Albums "Friends of mine". Damit aber näher an den Wurzeln des Rock'n'Roll, countrylike, gelegentlich swingend, selten polternd. Die Melodielinien des Adam Green sind bestürzend schön, einfach und dennoch überraschend in ihren Wendungen: Friends of mine, Jessica Simpson, Bluebirds und fast alle anderen Titel zeugen von selten gehörten Songwriter-Qualitäten. Alle Stücke sind erfrischend kurz und verzichten auf jeden Schnörkel, der von der sinatragenden Stimme ablenken könnte. Unbegreiflich wie ein so junger Mann bereits eine derartige musikalische Klasse und Reife an den Tag legen kann. Was soll daraus erst noch werden?
Man spürte die Verehrung, die diesem jungen und ausnahmsweise mal überzeugenden Rebellen entgegengebracht wird. Er scheint jedoch das nötige Selbstverständnis zu besitzen, um damit umgehen zu können. Sonst müsste man sich um ihn ernsthafte Sorgen machen. Aber Idole vom Schlage des Adam Green würden sich niemals das Gesicht wegschießen. Das wäre einfach nicht witzig genug.
Links:
Adam Green
www.ruhrfestspiele.de
Bilder: MatsB