The Big Pink: Heavy Elektro aus der Konsole

img_6715The Big Pink haben einen Hit gelandet. Er heißt "Dominos" und läuft im Radio rauf und runter. Ein eingängiger Ohrwurm, der eindeutige Popqualitäten aufweist. Was für eine große Überraschung, wenn The Big Pink dann live spielen. Wo kommen denn plötzlich diese treibende Elektrobeats und laute Gitarrenriffs her, die den Raum sprichwörtlich zum Beben bringen. Wie schaffen es The Big Pink, so eine massive Schallmauer zu errichten? Das soll uns Milo Cordell, der Keyboarder von The Big Pink, bitteschön erklären. „Ok, stimmt ja. 'Dominos' ist eigentlich eine Mogelpackung. Das ist normalerweise ja nicht gut, aber bei uns funktioniert das. Es war reiner Zufall, dass wir einen Popsong geschrieben haben."

Den zwei Londonern Klangkünstlern geht es nicht darum, die Zuschauer zu verarschen. Milo findet es gut, wenn Dinge auf den ersten Blick nicht ganz so eindeutig sind: „Man sollte ein Buch nicht nach seinem Einband bewerten. Genauso wenig sollte man uns an 'Dominos' oder unserer Myspace Seite festmachen. Die Leute sollen beim Konzert selber herausfinden, worum es bei The Big Pink geht."

Also: erst Mal die Fakten. Das Londoner Musikkollektiv wurde von den Freunden Robbie Furze (Gitarre & Gesang) und Milo Cordell (Keyboard) gegründet. Milo vergleicht die Band mit der Vogelscheuche, dem Blechmann und dem Löwen aus der Zauberer von Oz: „Dem einen fehlt der Verstand, dem anderen das Herz und dem dritten der Mut. Bei uns ist das ganz ähnlich. Wenn Robbie der Kopf wäre, dann würden wir in Bedrängnis kommen. So ergänzen wir uns und sind zusammen die perfekte Person." Aha – die Gitarre kommt von Herzen, die Elektrobeats aus dem Hirn.

Musikalisch wollen The Big Pink das Gegenteil von dem sein, was sie an der britischen Musikszene hassen. Auf der Insel gibt es regelmäßig Hypes, die eine Schwemme an Bands nach sich ziehen, die auf der ewig gleichen Welle herumreiten. Milo weiß auch, warum: „Das ging mit Oasis los. Die waren früher einfach großartig, hatten definitiv ihre großen Momente. Doch irgendwann haben sie es verloren und zum Glück ist es jetzt mit ihnen vorbei. Dann kamen die großartigen Libertines. Und alles was danach kam, finde ich schlecht. Genialität kann man einfach nicht kopieren.“

img_6790Lebt man diese Einstellung konsequent bis zum Ende, kommt dabei eine völlig andersartige Musik heraus. Im Fall von The Big Pink: die Antithese des Rock’n’Roll. Ihr Sound entsteht nicht im Übungsraum, sondern vor dem Computer: „Unsere Musik ist eine Collage. Sie kommt aus dem Baukasten. Wir bedienen uns verschiedener musikalische Bausteine (…) Wir lieben richtig laute Gitarren, wie bei unseren amerikanischen Vorbildern My Bloody Valentine und Kurt Cobain. Aber wir lieben auch Hip-Hop, Industrial Beats und Soul Music. Das ist der Grundgedanke von The Big Pink. Wir nehmen all die verschiedenen Genre, die wir toll finden, und mauern daraus eine Wand aus Klängen.“ 

Bei dieser Bastelei entsteht weder Tanzmusik, noch Rockmusik, sondern eine Mischung aus beiden. Genauso gemischt, wie die musikalischen Einflüssen ihrer Jugend. Eigentlich standen Milo & Robbie damals auf richtig laute, amerikanische Gitarre. Doch in England quoll Ende der 90er Rave-Musik aus allen Ecken. Auf den meistens illegalen Partys wummerte der Bass so richtig laut aus den Boxen. Milo erinnert sich: „Wir standen oft direkt neben dem Lautsprecher, schmissen uns etwas ein und gingen total ab auf die Musik. Beiden Strömungen haben uns beeinflusst. Und dann haben wir einfach etwas Farbe dazugepackt. The Big Pink sind zwei Typen, die aggressive Musik lieben, aber schon recht alt sind und es deswegen etwas ruhiger angehen.

The Big Pink machen aus Nirvana und Drum&Bass Pop Art. Ihre Musik ist extrem intensiv  und sollte am besten Live zu sich genommen werden. Im Studio haben Milo & Robbie noch Kontrolle über ihre Musik. Auf der Bühne geht diese aber gerne Mal verloren. Was dabei heraus kommt, ist unberechenbar, auf jeden Fall laut: "Manchmal gehen wir auf der Bühne bis an die Grenze. Ich bin mir sicher, dass wir für manche Menschen diese Grenze live auch überschreiten. Dann wird die Musik sehr laut, sehr verzerrt, sehr White Noise." Musik, die man nicht unbedingt zu Hause auf dem Sofa hören sollte.

img_6733Trotz all ihrer musikalischen Extravaganzen sind The Big Pink bodenständig. Im November ’09 spielten sie als Vorband von Muse. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Wenn wir touren, dann fahren wir mit einem kleinen Bus von Club zu Club, die ganze Band in einem winzigen Van. Muse hatten über 20 Busse und LKWs. Ich kam mir vor wie eine kleine Ameise unter tausend Ameisen.“ Auf den richtig großen Bühnen fühlen sich The Big Pink nicht so wohl. Das liegt unter anderem auch an dem Publikum, dass diese riesigen Mehrzweckhallen anzieht: „Ich glaube, es gibt eine Mittelding zwischen klein und groß. Nirvana haben irgendwann die Mitte überschritten. Kurt Cobain hasste es, für die Leute zu spielen, die er in der Schule nicht ausstehen konnte.“ Diese Mitte zu finden, scheint ein durchaus realistischer Traum für The Big Pink. Allerdings nur, wenn Sie nicht zufällig wieder einen perfekten Popsong schreiben.

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