Band of Skulls: ein Fisch, eine Katze und ein Einhorn

bandofskullsBei einem Bandnamen wie Band of Skulls erscheinen sofort schreiende, zottelige, lederbekleidete Death- oder Heavy-Metal-Barden vor dem geistigen Auge - zumindest vor meinem. Zottelig und lederbekleidet sind sie zwar schon, aber sonst haben Russell Marsden (Gesang, Gitarre), Emma Richardson (Gesang, Bass) und Matt Hayward (Drums) so gar nichts gemein mit dem assoziativen Schreckensbild.

Erst seit etwas über einem Jahr unter dem aktuellen Bandnamen unterwegs, haben die Drei bereits einige beeindruckende Erfolge zu verzeichnen. So wurde ihr Song “I Know What I Am” kurz nach der Exklusivveröffentlichung ihres Debütalbums “Baby Darling Doll Face Honey” im iTunes Store im März letzten Jahres zur Free Single of the Week und daraufhin 400.000 mal runtergeladen und erschien ihr Song “Friends” neben den Beiträgen von Bands wie Muse, Death Cab for Cutie oder The Killers auf dem Soundtrack des Hollywood Blockbusters “Twighlight: New Moon”.

Ab dem 22. Januar kann man ihren Erstling nun auch als physische Kopie in den hiesigen Plattenläden erwerben (zur Rezension geht’s hier). Das nahm die Band zum Anlass, zu einer Stippvisite in deutschen Landen vorbeizuschauen und sich unseren Fragen zu Fabelwesen, 70er-Jahre-Prog-Rock und einem erneuten Namenwechsel zu stellen.

bos1_neuEure Karriere ist ja quasi von Null auf Hundert in Fahrt gekommen. Wie war das für euch?

Emma: Man muss es einfach aufnehmen und weiter seine Shows spielen. Wir haben eigentlich gar nicht so viel davon mitbekommen, es waren hauptsächlich die Zeitschriften, die uns so gehypt haben.

Als Band of Skulls gibt es euch seit 2008, davor wart ihr als Fleeing New York unterwegs. Wann habt ihr euch als Band zusammengefunden?

Russell: Matt und ich haben angefangen, zusammen Musik zu machen, als wir noch sehr jung waren. Unsere Familien haben uns zusammengebracht, weil wir beide Musik mochten. Sie ermutigten uns, selbst Musik zu machen und stellten uns einen Raum im Haus zur Verfügung. Als ich dann auf der Kunsthochschule war, habe ich Emma getroffen. Wir hatten immer wieder andere Musiker, die mit uns spiel ten, aber Emma kam, um uns anzuhören und ist seitdem bei uns geblieben. Dann haben wir in vielen verschiedenen Bands gespielt. Fleeing New York war etwas, das wir für eine Weile gemacht haben. Der harte Kern der Band, wir drei, haben dann entschieden, etwas zu machen, das zu unseren Wurzeln führen sollte und das Album aufzunehmen, das wir immer schon machen wollten. Wir haben uns in Band of Skulls umbenannt, hatten die Chance, dieses Album aufzunehmen und es zu veröffentlichen. Das war auf iTunes, und so ist alles in Bewegung gekommen.

Ich kenne nichts von dem, das ihr als Fleeing New York gemacht habt. Wie unterscheidet sich das von dem, was ihr jetzt macht?

R: Einiges ist sehr ähnlich, aber damals haben wir mir unserem Sound herumexperimentiert. Und mit verschiedenen Stilrichtungen. Das machen wir jetzt zwar immer noch, aber viel eingeschränkter. Was wir jetzt machen, ist die pureste Version von uns. Wir haben alle Extras weg- und nur das Rohe übrig gelassen.

Ist dann der Song “I Know What I Am” quasi die Quintessenz dessen, was ihr seid und bezeichnend für das Album, weil ihr euren eigenen Sound gefunden habt?

R: Ich denke schon. Der Text ist wohl unterbewusst entstanden. Es ist auf jeden Fall eine gute Einführung in das, was wir tun, dadurch, dass Emma und ich beide singen und Matts Schlagzeug im Vordergrund steht und genau so wichtig ist, wie alles andere. Insofern ist es eine gute Einführung, aber wir haben noch einiges andere auf dem Album.

Um noch mal kurz auf Fleeing New York zurückzukommen: Der Titel stammt auf “Songs of the Doomed” von Hunter S. Thompson. Was für eine Beziehung habt ihr zu seinen Arbeiten?

R: Es geht ja allen Bands so, dass sich irgendwann die Frage stellt, wie sie sich nennen soll. Wir haben den Titel gesehen und dachten: Ja, das ist es. Es war nur ein Zufall.

bos2_neuAber habt ihr euch auch mit dem Mindset von ihm identifiziert, der ganzen Gonzo-Geschichte?
R: Ja, damals, als wir auf der Kunsthochschule waren, haben wir uns von vielen Dingen inspirieren lassen, und er gehörte definitiv dazu. Jemand, der eine Kultfigur war.
E: Wir haben uns immer gegenseitig Sachen zu lesen gegeben.
R: Wir haben uns sehr rege ausgetauscht und unser Wissen geteilt.
E: Der Titel hat uns direkt angesprochen, also haben wir uns für ihn als unseren Bandnamen entschieden.

R: Es war eine sehr kreative Zeit.

Mit dem Hintergrund der Kunsthochschule, was habt ihr davon gehalten, auf dem Soundtrack eines Mainstream-Filmes wie “New Moon” zu erscheinen?

R: Wir waren sehr daran interessiert, einmal unsere Musik zu einem Film beizusteuern, einfach weil es eine andere Art zu arbeiten ist . Es war eine ganz eigenartige Geschichte, denn wir waren gerade auf Tour in den USA, als wir die LA Times lasen. Da hieß es, Muse, Thom Yorke und Band of Skulls seien auf dem Soundtrack vertreten. Wir waren total baff. Wir fragten unseren Manager, und er meinte, ja, dieser eine Song, der nicht mal das Studio verlassen sollte, sei irgendwie drauf gelandet.

Sehr mysteriös.

R: Ja. Letztendlich war es die Qualität der anderen Bands auf dem Soundtrack, die uns zustimmen ließ.

Welche der Bands macht euch besonders stolz darauf, auf dem Soundtrack vertreten zu sein?
R: Wir (lacht).
E: Und natürlich Thom Yorke. Aber auch Black Motorcycle Club und Bon Iver, Lykke Li und St. Vincent. Diese Namen machen es schon zu etwas Besonderem.

R: Es ist eine sehr interessante Platte.

“New Moon” ist ja ein Vampirfilm. Welches übernatürliches oder Fabelwesen wärt ihr?
R: Irgendwas, das am Tag schläft (lacht). Also wohl ein Vampir.
E: Auf jeden Fall was Nachtaktives.

R: Ja, europäische Vampirfledermäuse.

bos3_neuGilt das für euch alle? Was ist mit dir Matt?
Matt: Ich wäre ein Einhorn. (seine Bandkollegen brechen in schallendes Gelächter aus)
R: Warum?
E: Weil er kann.

M: Weil ichs mir gerne vorstelle.

Als ich eure Biografie gelesen habe, sind mir lustigerweise sofort Tiere eingefallen, die ich euch zuordnen würde (wieder schallendes Gelächter). Bei Emma dachte ich, sie ist entweder ein Fisch, weil sie ja professionell geschwommen ist oder ein Eichhörnchen, weil sie diese riesige Platténsammlung hat, was ja auf einen ausgeprägten Sammeltrieb schließen lässt.
(Emma lacht)

R: Was ist mit uns beiden?

Du wärst eine Katze, wegen der neun Leben die sie hat und deiner fast fatalen Unfälle.

R: Cool, also nicht wegen irgendwelcher äußeren Merkmale (lacht).

Aber bei Matt ist mir nichts eingefallen (alle lachen).

M: Ich bin also noch nicht klassifiziert. Ich wäre ein Einhorn.

Zurück zu eurer Musik. Ich höre da viel 70er-Jahre Einflüsse heraus: Psychedelic, Prog Rock, Blues. Diese musikgeschichtliche Ära findet mal in der heutigen Musiklandschaft sehr wenig. Viele Bands sind von den 50ern oder 60er beeinflusst und im Moment rollt gerade die 80er Welle.

R: Interessante Beobachtung.

Was reizt euch so sehr an dieser Epoche?
M: Es ist schwierig, Einflüsse aus dieser Zeit zu verarbeiten ohne sich dann wie eine billige Coverband anzuhören. Es haben bisher nur wenige versucht, aber nicht besonders gut umgesetzt.
R: Einige der qualitativ besten Alben wurden in dieser Zeit gemacht. Es war der Höhepunkt der Studioarbeit. “Dark Side of the Moon” und andere Langspieler waren wirkliche Meisterwerke. Vielleicht liegt es an der niedrigeren Aufmerksamkeitsspanne, dass heute nur noch kurze Lieder produziert werden. Damals hatten kleine Bands große Ideen. Und große Ideen führten zu großen Werken.
M: Es gab damals auch viele fantastische Musiker. Jedes Bandmitglied war ein Meister seines Fachs.
R: Das führte zu einer großartigen Qualität. Wahrscheinlich ist es das, was uns besonders anspricht.
M: Außerdem haben uns die Plattensammlungen unserer Eltern beeinflusst. Musik, die sie gekauft haben, als sie in unserem Alter waren. Wir sind dann damit aufgewachsen.

R: Mein größter Einfluss waren Pink Floyd.

bos4_neuViele Bands hassen es, mit anderen verglichen zu werden und sprechen nicht gerne über ihre Einflüsse. Aber denkt ihr, dass es heute überhaupt noch möglich ist, etwas komplett Enzigartiges oder Eigenständiges ohne jegliche Einflüsse zu erschaffen?
R: Es kann schon etwas Einzigartiges sein, mit leichten Spuren von Einflüssen.
E: Jeder wird ja von etwas beeinflusst. Aber es kommt auf die Leute an, die zusammenarbeiten. Jeder bringt etwas anderes ein und hat eine unterschiedliche Sichtweise. Das ergibt dann etwas Neues.
M: Man braucht aber immer ein Etikett, Bands, die man miteinander vergleichen kann. Vielen fällt es schwer, etwas einfach so zu nehmen, wie es ist.

R: Jede Musik ist eine andere Version von etwas schon Dagewesenem. Selbst bei den ursprünglichen Blues-Musikern. Es gab immer schon Austausch. Das ist es, was Musiker tun: Sie tauschen Ideen, sie tauschen Lieder.

Das ist ja nicht nur in der Musik so, sondern auch in der Kunst und Mode.

R: Und so wird es immer weitergehen.

Ihr seid alle am Songwritig beteiligt. Wie kann ich mir diesen Prozess vorstellen?
R: Er ist sehr lang und zeitaufwendig. Es wäre viel einfacher, wenn nur einer von uns schreiben und dann den anderen ihre Parts zuteilen würde. Aber wir schreiben nun mal alle und stehen auf dem Standpunkt, dass, wenn jeder von uns etwas zu einem Song beiträgt, dieser nur besser werden kann. Der perfekte Song wäre für uns, wenn jeder den gleichen Teil dazu beitragen würde. Das versuchen wir, natürlich klappt es nicht immer ganz so. Wenn jemand eine Idee hat, hören wir sie uns an und sagen dann vielleicht: “Das hört sich gut an, aber alles andere muss weg.” Dann muss man stark genug sein, sich zu sagen: “Ok, ich hab zwar eine ganze Woche dran georgette, und sie haben nur dieses eine kleine Element genommen, aber es ist besser als nichts.” An diesem Prozess arbeiten wir noch, und manchmal ist es wirklich schrecklich (lacht).
M: Wir arbeiten dran und verkehren es vielleicht total ins Gegenteil und aus einem Lied, das eigentlich sehr laut sein sollte, wird plötzlich eine Ballade.
E: Wenn es die Form hat, die es haben soll, bekommt man das Gefühl, dass der Prozess endlich abgeschlossen ist. Dann denkt man: “Ja, das können wir jetzt so lassen.”

R: Es ist wie beim Drehbuchschreiben: Wenn man eine Gruppe von Leuten hat, die alle ihre Ideen einbringen, von denen die besten genommen werden, kann das Produkt bur besser werden, als wenn es ein einzelner alleine macht.

Ich habe gehört, es sei schon ein neues Album in der Mache.
R: Oh, das hätten wir nicht sagen sollen (lacht).
E: Wir haben alle schon etwas geschrieben, durch unser Touren aber noch nicht die Zeit gefunden, den anderen unsere Ideen zu zeigen.

R (holt einen Packen Papier aus einer Ledertasche): Das ist mein Beitrag.

Also wisst ihr noch gar nicht, in welche Richtung es gehen wird und ob ihr euch vielleicht wieder umbenennen müsst?

R (lacht): Nein, Matt will wohl so was wie eine Jazz Odyssee machen. Oder was auch immer. Auf jeden Fall wird es für Emma und mich eine Überraschung. Wir werden nach unserer UK-Tour ins Studio gehen, bevor wir in den USA weiter touren.

http://www.myspace.com/bandofskulls