Mikrofisch: The Kids Are All Shite

MikrofischAngefangen hat alles 2001 in Köln: Dort lernten sich Silvi Wersi und Mawe N. Klave kennen und beschlossen spontan zusammen Musik zu machen. Eigentlich wollten sie nur ein The Smith Cover aufnehmen, aber am Ende der Wohnzimmer-Session waren auch vier eigene Tracks aufgenommen und Mikrofisch war geboren.

Inspiriert von Bands wie Young Marble Giants, Magnetic Fields oder New Order basteln sie seit dem mit einem Roland CR-68 Drumcomputer, wabernden analogen Synthesizern, Heimorgeln (u.a. Vermona ET 3), Bass, Gitarren und Glockenspiel an ihrem wunderbaren DIY-Zitate-Pop, der ebenso minimalistisch wie leichtfüßig daher kommt. Aber so richtig schön bizarr wird die Musik von Mikrofisch durch den scheinbaren Widerspruch aus intimen Minimal-Pop und den ironischen, sehr extrovertierten Texten. Erschien ihr Debüt-Album “gleichstrom/wechselstrom“ noch als physischer, in Vinyl gepresster Tonträger bei Schindlerwies, veröffentlichen Mikrofisch nun ihre Musik über das Netlabel des Online-Fanzines Komakino. Neue Zeiten benötigen neue Strategien oder warum verschenkt ihr eure Musik nun? Silvi: “Unser Debüt-Album ist ja 2002 rausgekommen und in der Zwischenzeit hat sich einfach ganz viel verändert an dem, wie Menschen Musik hören. Klar gibt es noch Leute, die Musik auf Tonträgern sammeln - Mawe und ich gehören ja auch dazu -, aber es ist mitunter recht kostspielig, in die Pressung von Platten zu investieren. An CDs glauben Mawe und ich sowieso nicht, die blöden Plastikboxen, die sehen ja schon so unschön aus. Für uns stand auch im Vordergrund, dass wir wollten, dass so viele Menschen wie möglich unsere Musik hören können; das funktioniert beim umsonst-Download eben am besten. Außerdem haben wir bei unserer letzten Tour 2008 gemerkt, dass die kids tatsächlich keine Tonträger mehr kaufen nach Konzerten. Das war früher ganz anders, da machte man über Merchandise noch Gewinn.” Da Mawe auch als Autor für Komakino schreibt, entstand die Idee, dem Online-Fanzine Komakino ein Online-Label anzugliedern, um eine Plattform zur Veröffentlichung des Mikrofisch-Albums "Masters of the Universe" zu haben. Nun besitzt so eine LP oder Single durch das Gesamtpaket aus Cover-Artwork, Vinyl und Haptik eine besondere Emotionalität. Bedauert ihr es nicht ein wenig, dass dies bei einem Netlabel-Release abgeht?  Ein bisschen natürlich“, meint Silvi, “es wäre schön gewesen “The Kids Are All Shite” als Single rauszubringen. Schön als 7 inch.” Mawe: “Andererseits bekommen wir so viel mehr direktes Feedback - über Myspace, Last. fm, mp3-blogs und natürlich unsere Download-StatistikObwohl man meinen könnte, Online-Releases seien anonymer, ist man so tatsächlich näher dran an den Hörern - selbst wenn die in Südamerika wohnen.

Mikrofisch liveIm Kontrast zu eurem minimalistischen DIY-Zitate-Pop stehen eure ironischen und z.T. sehr großspurigen Texte. Bestes Beispiel ist wohl der Song “The Kids Are All Shite”, eure Abrechnung mit der MySpace-Neon-Jugend, bei ihr aber auch die aktuelle Indie-Gitarrenszene disst. Gab es darauf irgendwelche Reaktionen? Silvi: “Wir haben nur eine einzige Hassmail bekommen von einem schottischen Teenager, der seine Lieblingsband Dead 60s verteidigen wollte. Ansonsten haben sich die meisten Hörer über das Lied sehr gefreut, es muss wohl bei vielen eine Note getroffen haben.“ Allerdings stelle ich es mit bei Konzerten auch ganz witzig vor, wenn ihr in bester Punk-Tradition mit Synthesizern und Drumbox im Rücken, eine nett verpackte und tanzbare Publikumsbeschimpfung betreibt. “Es ist der Höhepunkt der Show, für mich und alle anderen auch!”, stimmt mir Silvi augenzwinkernd zu. Musikalisch zitiert euer analoger Synth-Sound die frühen 80er. In Verbindung mit den Texten von “Let’s kiss and listen to Bis” oder besagtem “The Kids are all shite” könnte man meinen, dass ihr ein wenig wehmütig auf die 80er/90er-Indieszene zurückblickt. War denn damals wirklich alles besser? Silvi: “Klar :) Nein nicht wirklich. Bei 'Let's Kiss and Listen to Bis' ist das ist ja nur so ein Verweilen in einem nostalgischen Gefühl für die Dauer des Songs. Aber man muss auch sagen, dass wir natürlich musikalisch sozialisiert sind in der Indie-Musik der 80er/90er, das prägt für den Rest des Lebens. Ich hab allerdings früher auch viel prog rock gehört, habe aber nicht vor, darüber demnächst eine Hymne zu schreiben“. Mawe: “Zudem sagen wir in "Let's Kiss" ja auch ganz klar: "but when we were young, the world only seemed wide, because of the fact that our view was narrow". Silvi: “Ansonsten fühlen wir uns musikalisch im hier und jetzt auch sehr wohl und blicken selten wehmütig zurück. Es gibt immer großartige aktuelle Musik“. Was sind denn eure bisherigen Entdeckungen in 2009?
Silvi:
Lovvers - uraltes Format trotzdem frisch, Let's Tea Party- poppy, Vivian Girls Lime Headed Dog (das ist die neue Band vom Ex-Bassisten von Good Shoes) - wunderbar wunderbar!
Mawe:
Crystal Stilts- Jim Morrison auf Valium singt bei Jesus & Mary Chain.

Zum Schluss noch ein Ausblick auf das was noch kommen wird von Mikrofisch. Zuletzt habt ihr euer unbedingt hörenswertes “This is not a tribute Album - Monsters of the Universe” mit Neuinterpretationen eurer Songs durch befreundete Künstler herausgebracht. Gibt es denn bald auch neue Songs von Mikrofisch oder was steht bei euch als nächstes an? “Wir arbeiten an neuen Songs“, erklärt Silvi, “und gehen im Juni mit den großartigen Knights of Love auf Tour”. Dann hoffen wir mal, dass diese Tour die beiden auch ins Ruhrgebiet führen wird, damit wir dann auch mal die Faust zu “The Kids are all shite” in die Luft strecken können. Bis dahin kann man die Songs “Morning Bus” und “Alien Monster” von Mikrofisch im aktuellen Programm von Radio Unruhr #5 hören/downloaden bzw. hier das gesamte Album saugen. Bezaubernde Musik für lau. 

www.myspace.com/mikrofisch  
www.komakinomag.de   

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