Maurice Summen (Die Türen): "Es wiederholt sich im Leben mehr als uns allen lieb ist."

Endlich: Die Türen bringen wieder UnRuhr in unsere Zone - am 4. September in Mülheim im AZ und am 10. September in Dortmund im Cosmotopia. Herzen werden Nihilismus sein, Köpfe auch, Türen sowieso. Bevor das Mysterium zurückschlägt, tippte uns Sänger Maurice Summen seine Öde an die Fragen. Und dann gibt es ja noch die Story behind the doors...

Türen UnRuhr:
Muss man aus dem Münsterland nach Berlin auswandern, um so eine Musik machen zu können wie ihr? Seid ihr bewusst nach Berlin gegangen, um eure Musik weiterzubringen?

Maurice:
Vielleicht ist Berlin momentan der optimale Standort, vielleicht aber auch nicht. Bei mir war die Entscheidung nach Berlin zu ziehen schon eine bewusste, auch in Hinsicht auf Musik machen, produzieren und herauszubringen. Wie sich das dann allerdings irgendwann ereignet, weiß man wirklich erst später, gerade wenn man Lust auf Experiment hat - um den Kreis zu schließen: Für Experimente gibt es in Berlin ausreichend viel Raum.

UnRuhr:
Eure Musik klingt doch ungefähr so: Oben schmeißt man eine Menge Holz aus dem "Wald of Pop" hinein und unten kommen frisch zugesägt eine Menge Türen heraus. Alle gehen irgendwie auf und zu, aber keine gleicht der anderen. Plant man so etwas? Macht man das bewusst oder verselbstständigt sich das irgendwann? Oder ohne Geplapper gefragt: Wie entsteht eure Musik? Was sind eure Einflüsse?

 

Maurice:
Wald of Pop finde ich lustig. Klingt sehr krautig.
Musik entsteht wie nachts ein gutes Sandwich: Du hast auf etwas bestimmtes Appetit und schaust dann in den Kühlschrank, was so da ist. Es gibt Käse, Wurst, Gemüse, der eine ist ein Remouladentyp, der andere mag Senf. Und dann entschließt du dich plötzlich alles draufzupacken und es schmeckt phantastisch. Es ist aber wirklich nicht leicht, das im Fall der Türen zu beantworten, wie die Schnitte zusammengesetzt wurde. Es gab keine Vorgaben, keine Ziele. Wir drei kannten uns zuvor ja schon eine ganze Weile und wir haben uns gegenseitig ein Maximum an Narrenfreiheit eingeräumt, um so ein Minimum von Coolness zu garantieren. Dann gibt es die ganzen Einflüsse, die Liebe, die Technik, den Freundeskreis, die liebste Dönerbude, die alten Steely Dan Platten, Gang of Four, die Geschichte von Eric Hysteric, esoterische Ringverkäufer, das Bezirksamt Pankow, Kreuzberg, das Bad Kleinen, Raymond Carver, Katz und Gold, Die Cockbirds, Logic, The Neoretros, Trio, Ludwig Wittgenstein, die Simpsons, Stanislav Lem, Bryan Ferry, Dieter Bohlen und der Herr der Ringe. Um mal ein paar aufzuzählen. Die Summe der Faktoren bleibt auch für die Türen ein Buch mit sieben Siegeln. Allerdings zählt durchaus: gelernt ist gelernt.

UnRuhr:
Die "Pose als Position" ist ja fast schon zum geflügelten Wort geworden. Aber jetzt mal ehrlich: Ihr bewegt euch doch auf einem schmalem Grat. Seid ihr nicht selbst auch ganz gehörige Poser? Wie viel an den Türen ist "Inszenierung" und wie viel ist echt? Anfangs gab es doch sogar mal das Gerücht, das es die Türen gar nicht gebe und alles nur ein "Fake" sei.

TürenMaurice:
Oh, die "Pose als Position", da hat der Gunther beim Fahrradfahren eine gute Idee gehabt. Das besagte Stück ("Das Ende der Woche" ) spielte ja auf Wochenendrevolutionäre an. Leute die man in den 80ern noch als Wochenendpunks bezeichnet hätte. Also Menschen mit Modebewusstsein, die sich einen Dreck um die gesellschaftlichen Aspekte von Subkultur scheren. Solche Menschen sind wir definitiv nicht. Es ging aber in dem Song auch um "die neue Welle der Kraft", das ist eine Anspielung, wieder von Gunther, auf ein Rocko Schamoni-Interview, in dem der gesagt hat er wolle sich mal bald vom Musikbusiness zurückziehen, damit junge Menschen daherkommen und eine "Neue Welle der Kraft" auslösen. Wir so: Hey!
Das mit dem Fake ist ein Fake.

UnRuhr:
Könnt ihr schon etwas zum nächsten Album sagen? Welche Richtung zeichnet sich ab? Wird es sich wieder zwischen Poesie und Synthpunk bewegen? Kann man so etwas überhaupt wiederholen?

Maurice:
Wir arbeiten ja bereits daran. Es wird ein Anti-Konzept Album, wieder eine Sammlung von Kurzgeschichten, Trashlyrik und Anekdoten aus dem Leben der drei Türen. Diesmal wird es allerdings ein bisschen mehr Roadmovie, also weniger Entstehung im eisgekühlten Kongresszimmer, da wir bedingt durch das viele Touren die meiste Zeit zusammen auf den Autobahnen verbringen. Mal gibt es eine Schlägerei an der Raststätte, dann gibt es Groupies die unseren Wagen klauen, illegales Grillen in Ostdeutschland usw... Es wiederholt sich im übrigen im Leben mehr als uns allen lieb ist.

UnRuhr:
Mit welchen Equipments und "Gerätschaften" bastelt ihr an eurem Sound? Gibt es da besondere Herangehensweisen?

Maurice:
"Alles Liebe" sagt mein Word-Programm als ich "alles" schreiben will. Ich glaube es behält Recht.

UnRuhr:
So weit ich das überblicken kann, habt ihr eine bewegte Musiker-Laufbahn hinter euch. Welche anderen Musikprojekte verfolgt ihr zurzeit noch oder plant ihr außer den Türen?

Maurice:
Oh, da gibt es immer sehr viel in den Hinterstübchen. Der Gunther spielt noch Gitarre bei den großartigen Panne-Punkern COCKBIRDS, von denen glaube ich demnächst mal eine LP rauskommt. Der Pimpie produziert ja jeden Tag zig Tracks/Songs/Lieder was weiß ich. Das kann man schon gar nicht mehr in Projekte ordnen. Ich arbeite gerade an einer 1-Man-Grime-Show namens MORITZ LOVE - THE CALL CENTER AGENT! Das wird auch mal bald live uraufgeführt und wird dann an die Theater dieser Republik lizensiert!

UnRuhr:
Was wird es beim "Staatsakt" sonst noch so zu hören oder zu sehen geben?

Maurice:
Gerade erscheint die DVD "For Promotional Use Only 2". Die haben wir in Cooperation mit dem Kölner Label BOLD produziert. Eine tolle Sammlung von Musikvideos, Kurzfilmen und schrägen Audiokommentaren. Von und mit International Pony, Die Goldenen Zitronen, Schneider TM, Studio Braun uvm. Es ist demnächst noch einiges mehr geplant. Einfach bei staatsakt.de den Newsletter abonnieren.

UnRuhr:
Manchmal platzen wir hier im UnRuhrgebiet vor Neid, wenn wir nach Hamburg und Berlin blicken. Warum ist die Musikszene in der Ruhrstadt oft so uncool? Hier war das Herz nicht, hier ist es noch Nihilismus. Oder siehst du das anders?

Maurice:
Ich hab ja selbst mal in Bochum gewohnt. Kenne das alles ein bisschen. Es liegt wohl vor allem daran, dass keiner das Ruhrgebiet als Ganzes versteht und die Szenen sich halt städtegebunden bilden. Und dann sind es vielleicht nicht genug Leute in Dortmund, Essen oder Gladbeck um was zu bewegen. Es hängt natürlich auch immer an der Infrastruktur, an Clubbetreibern, Labelmachern usw. Zu Labelzeiten von COMMUNITY oder DECK8 z.B ging ja doch einiges. Immerhin hat das Ruhrgebiet eine große Punkrockszene und mit dem OX und dem PLASTIC BOMB die größten unabhängigen Sprachrohre in dem Bereich. Außerdem gibt es doch gerade AMERICAN LEAD GUITAR. Tolle Band, da erwarte ich einiges im nächsten Jahr!!!

UnRuhr:
Deutsche Sportler versagen. Die Volksfront kehrt als CDU zurück. Schröder wankt. Klinsmann ist der Held, wo uns retten soll. Aber alles hilft nix: Das Land taumelt am Rande einer gefährlichen Böschung. Wir sind ratlos. Was sollen wir aus Türensicht jetzt tun?

Maurice:
Den Computer im Auge behalten, ab und an raus ins Grüne fahren und auf keinen Fall zu viel Geld für Mobiltelefone ausgeben. Das ist nämlich alles nap!

UnRuhr:
Das UnRuhrgebiet ist in fiebriger Erwartung. Wird Mülheim noch Mülheim, Dortmund noch Dortmund sein, wenn ihr dort aufgetreten seid?

Maurice:
Wir sind ja kein Bauunternehmen sondern arbeiten auf rein künstlerischer Ebene. Ich denke, man wird den Unterschied nicht sehen aber spüren...

 Links:
Die Türen
Staatsakt (das türeneigene Label)

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Zu diesem Geschwätz gibt es ein kleines Märchen. Am Anfang der UnRuhr-Zeitrechnung arbeiteten wir noch mit Dummy-Seiten, um unser Layout zu testen: Eine davon war diese hier...

Darauf hin erreichte uns diese Mail:
"beim Googeln bin ich auf deine Kritik der TÜREN gestoßen. Es ist die kryptischte die ich je gelesen...Etwas verwirrt für einen Montag... Gruss aus Berlin, Maurice. "

Geistesgegenwärtig fragten wir die neue Ikone der Subkultur gleich nach einem Interview.

"interview gerne mal... werden bestimmt bald in dortmund spielen. ... und die kritik finde ich wunderbar dada!"

Und so hätte dieses Interview eigentlich das 1. in der Historie von UnRuhr werden sollen. Da MatsB jedoch vollkommen dada mit sich und dem Aufbau dieses Magazins war, geriet die Geschichte in Vergessenheit.

Viel Zeit ging ins Land. Und erst jetzt, da die Türen sich wieder unseren Breiten nähern, erinnerte man sich des Vergessenen und das Märchen ward wahr. Das 1. Interview, das das 1. sein sollte und doch nicht das 1. wurde.

{/jgibox}

Bilder: Pressefreigaben, mh