Über Monate hinweg bauten und bastelten Frank Wernitz und Andi Rohden an ihrem eigenen, hochwertig eingerichteten Studio im Dortmunder Norden. Als auch der letzte Nachbarschaftstest beschwerdefrei verlaufen war, konnte der Betrieb des neuen Tonstudios in Verbindung mit der Neugründung eines eigenen Labels Ende 2003 aufgenommen werden.
Unter dem Namen "Unbroken Records" hinterließen die beiden erste musikalische Duftmarken, die auch nach längerer Zeit nicht anfingen zu müffeln. Als erste Band wurde "Lorka" unter Vertrag genommen. Die erste CD ist mittlerweile fertiggestellt. So langsam kommt die Sache in Fahrt. Und dennoch zeigte das Gespräch mit den beiden, dass gerade idealistische Ziele einen guten Schuss Realismus benötigen. Erst recht im UnRuhrgebiet.
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UnRuhr: Was war die Idee hiner Unbroken Records?
Frank:
Zunächst ging es uns darum, für die ganzen Bands, die da rumkrepeln, ein reelles Angebot zu schaffen, das nicht gleich Unsummen kostet. Bei uns können Bands schon für rund 500 Euro für zwei Tage plus einen Tag Mix und Mastern ins Studio. Gleichzeitig wollten wir uns aber weitere Standbeine aufbauen, eines davon ist das Label, bei dem wir jetzt zunächst mal nur "Lorka" unter Vertrag haben, um uns nicht gleich zu übernehmen. Wir müssen uns erst mal am Markt etablieren und uns Vertriebswege erschließen.
UnRuhr: Ist dieses Geschäft nicht noch viel unsicherer?
Frank:
Ich denke schon - unsicherer als das Tonstudio. Aber wenn das funktioniert, ist der "Hebel" natürlich groß. Man hat die Platte einmal produziert und muss nichts weiter tun, als sie verkaufen.
UnRuhr: "Nichts weiter" ist gut.
Frank:
Klar, man muss natürlich noch ins Marketing investieren, sich an Booking-Agenturen, Vertriebe usw. dranhängen.
UnRuhr: Habt ihr da schon Kontakte aufgenommen?
Frank:
Das ist wie eine Bewerbungssituation. Die großen Vertriebe haben alle dicht gemacht und schauen auf die Charts. Vertriebe wie Indigo, Soulfood oder Zomba machen aber schon noch etwas für die kleinen Label, wenn die ein gutes Programm haben. Deshalb tasten wir uns da aber auch nur langsam heran. Wir müssen erst auch noch ein paar Ideen weiterentwickeln. Dann können wir z.B. dem Vertrieb eher mal erzählen, dass wir nicht nur Musik wie Lorka im Programm haben, sondern auch noch ein paar andere Sachen vorhaben.
UnRuhr: Und dazu kommt noch das Event-Management?
Frank:
Ja, aber wir verstehen uns jetzt nicht als Künstleragentur oder so etwas. Es geht uns mehr darum, verschiedene Bands zusammenzubringen und gemeinsame Konzerte zu veranstalten. Wir kümmern uns dann um Clubs und Technik usw. Im Herbst planen wir eine Art Festival mit mehreren Bands - auch bekannteren - hier in Dortmund, aber das ist noch nicht so hundertprozentig festgezurrt.
UnRuhr: Euer Aktionsraum ist schon eher Dortmund und Umgebung?
Frank:
Klar, unser Schwerpunkt ist Dortmund, nach Norden geht es maximal bis Münster, ansonsten das restliche Ruhrgebiet, zumindest was das Studio angeht. Bei der Promotion für Lorka müssen wir natürlich darüber hinausgehen und auch mal nach Hamburg oder Berlin schauen.
UnRuhr: Hamburg ist ein gutes Stichwort. Jeder kennt die aktive Musikszene in Hamburg. Im Ruhrgebiet ist das anders bzw. nicht so bekannt. Vielleicht gibt es diese Szene ja auch gar nicht. Ist es wirklich so, dass die Bands da so viel besser sind als hier? Oder woran liegt das?
Andi:
Das haben wir uns auch schon gefragt und sind dann zum Schluss gekommen, das hier einfach keiner was "macht". Die Bands dort haben einfach ein breiteres Forum. Es ist da viel einfacher, irgendwo aufzutreten. Getreu der alten Regel: Ein Gig ersetzt zwanzig Proben. Die haben die Möglichkeit, durch Gigs viel besser zu werden. Bei uns spielen die im Bunker und maximal stört sich die Band aus dem benachbarten Proberaum daran. Da zieht auch die Gastronomie hier nicht richtig mit. Einen Laden, in dem jeden Abend eine Band spielt, gibt es hier einfach nicht. Das macht halt keiner, vielleicht jetzt neuerdings das "Lorbass" am Borsigplatz...
Frank:
...oder auch der Club Synchron.
Andi:
In Hamburg gibt es diese Kultur schon seit Ewigkeiten. Dort ist auch vielmehr Interaktion. Man kennt sich untereinander. Das gibt es in Dortmund oder im Ruhrgebiet viel weniger.
Frank:
Obwohl die Bands schon versuchen, sich untereinander auszutauschen. Heute kann man sich relativ einfach im Internet mal Bandlisten anschauen. Wer macht was? Wo kann man mal Kontakt aufnehmen? Die merken schon, dass es alleine viel schwieriger ist, aufzutreten. Im schlimmsten Fall kommt dann auch mal keiner. Das haben wir als Band schließlich selbst schon erlebt. Aber insgesamt ist das noch zu wenig Austausch. Es gibt z.B. aber auch nicht "den Ort", wo alle hingehen und man sich trifft. Man hat oft den Eindruck, dass viele es beklagen, dass es diese Art von Szene nicht gibt, aber irgendwie kommen die alle noch nicht richtig zusammen und kochen noch ihr eigenes Süppchen. Wir sind auch keine idealistischen Spinner, aber wir bemühen uns zumindest, da etwas nachzuhelfen und versuchen Bands, die z.B. stilistisch zueinander passen, auch mal zusammenzubringen.
UnRuhr: Wie habt ihr z.B. Lorka entdeckt?
Andi:
Durch Zufall. Und eigentlich ganz klassisch. Ich hab sie mal gesehen im Club TNT. Dann haben wir sie uns noch einmal zusammen angeguckt im FZW und uns entschieden, sie unter Vertrag zu nehmen.
Frank:
Das war ganz interessant, weil wir beide eigentlich einen durchaus unterschiedlichen Musikgeschmack haben. Andi würde meinen Musikgeschmack als Dudelmusik bezeichnen. Ich sehe das eher als virtuose Gitarrenmusik, z.B. Steve Vai und so etwas. Andi hört eher eher solche Sachen wie Soulfly oder irgendwelche New-York-Hardcore-Sachen. Wir sind da aber auch nicht so festgelegt, ich höre auch mal ganz gerne Jazz oder auch Frank Zappa. Entscheidend ist aber, dass uns beiden Lorka auf Anhieb gefallen hat.
UnRuhr: Und habt ihnen einen Vertrag gegeben und investiert?
Frank:
Genau. Wir haben die komplette Produktion finanziert, einschließlich Presskosten und Merchandising und erhalten dafür eine Beteiligung an den Einnahmen. So wie bei den Majors wahrscheinlich auch, obwohl man schon das Gefühl hat, dass die kleinen Label eher die Risiken tragen. Wenn z.B. Dieter Bohlen eine neues Konzept umsetzen will, hat der wahrscheinlich kein Problem, seine ganzen Vertriebswege zu aktivieren und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Wenn mir morgen etwas einfällt, interessiert das zunächst mal gar keinen. Die kleinen Label, die mal etwas Neues ausprobieren oder experimentieren, können nur hoffen, dass es sich irgendwie bezahlt macht.
UnRuhr: Das hat ja auch die Pleite des EFA-Vertriebes ein wenig gezeigt.
Frank:
Das kann dabei natürlich immer passieren. Deswegen gehen wir da ja auch so vorsichtig ran und machen hier als Zwei-Mann-Team unseren ganzen Kram selbst, von rechtlichen Dingen wie Vertragsgestaltung bis hin zu Buchhaltung.
UnRuhr: Hört sich nicht nach einem Acht-Stunden-Tag an.
Frank:
Aber dafür ist der Job auch interessanter als mein letzter. Das Risiko ist aber ganz klar ein anderes. Uns geht es auch nicht darum, unbedingt mal einen Porsche zu fahren. Es wäre absolut in Ordnung, wenn wir regelmäßig in die Technik reinvestieren können, um den Standard zu halten. Und dass vielleicht (lacht) - ganz platt - mal zwei, drei Wochen Mallorca drin sind und alle zwei, drei Jahre vielleicht mal eine neue Gitarre.
UnRuhr: Obwohl es für die Szene hier doch ganz gut wäre, wenn eine Band mal wirklich erfolgreich wird.
Andi:
Klar, auch um mal Hoffnung zu machen, dass es funktionieren kann. Viele Bands resignieren auch einfach. Die klopfen bei drei Clubs an und die fragen jedes Mal: Wieviel Leute zieht ihr denn? Tja, keinen, wir haben uns erst vor drei Monaten gegründet. Dann macht der das drei, vier Mal, wenn dann keiner kommt, war es das aber auch schon. Wäre schön, wenn es uns gelänge, dass die Szene da auch etwas belebt wird. Dass auch mal andere, ungewöhnliche Musik erfolgreich laufen kann, nicht nur die x-te Punkband, sondern auch mal innovative Musik. Das muss auch nicht immer klingen wie Lorka, kann auch mal Trip Hop oder Hardcore sein, wenn es in dem Rahmen, in dem es sich bewegt, prinzipiell etwas Neues darstellt. Oder etwas, dass noch gar keinen Rahmen hat. Das ist schon unser Maßstab und unser Ziel.
Frank:
Das haben wir auch versucht in unserer Presseinfo zu formulieren. Das hat man natürlich auch schon mal irgendwo anders gelesen, klar. Aber es wäre viel zu viel Arbeit mit einem viel zu hohen Risiko, wenn wir nicht voll dahinter stehen würden. Wir wollen ja nicht den hundertsten Mariah-Carey-Klon nach vorne bringen. Da würden wir nicht dahinterstehen. Die Chemie muss auch stimmen. Zu Lorka haben wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis, weil beide wissen, dass wir da noch am Anfang stehen und wir beide uns gegenseitig unterstützen, um weiterzukommen. Man kann sicher nicht sagen, dass wir einer Band den roten Teppich ausrollen können und deshalb müssen wir auch noch vorsichtig sein, weitere Bands unter Vertrag zu nehmen.
UnRuhr: Kommen viele Demos von anderen Bands?
Frank:
Es geht. Nicht wahnsinnig viele, vielleicht weil bei uns das Tonstudio auch werblich noch im Vordergrund steht. Sonst würden wir den Leuten auch falsche Hoffnungen machen. Das Studio ist zunächst der Kern der Sache und bis zum Ende des Jahres wird Lorka zunächst mal die einzige Band bleiben. Dann schauen wir mal, was wir da erreicht haben, z.B. ob wir einen Vertrieb gefunden haben. Das sollte uns zumindest für Deutschland gelingen. Wenn nicht für Deutschland, sondern woanders, ist es mir natürlich auch wurscht, von mir aus auch Skandinavien, England, Spanien. Nur über Eigenvertrieb im Internet erreichen wir jedoch nicht die nötigen Mengen. Wir werden auch versuchen, über ein Video in die Medien zu kommen. Aber diese Materialschlacht ist letzten Endes auch nicht entscheidend.
UnRuhr: Wenn ihr die Band verkauft, baut ihr da auch schon mal eine Story drumherum oder ist das alles authentisch?
Frank:
Vollkommen authentisch. Wir schreiben denen auch nicht vor, was sie sagen sollen oder so etwas...
UnRuhr: So schlimm meinte ich es auch gar nicht, aber oft werden ja gewisse Mythen aufgebaut...
Frank:
Die sind ja noch jung. Ich denke, da werden sich noch gewisse eigene Stories entwickeln, wenn die öfter auftreten und spielen.
Andi:
Zeigt aber auch, dass es denen und uns in erster Linie um die Musik geht. Die posen nicht groß rum auf der Bühne oder versuchen durch irgendwelche Aktionen, sich interessanter zu machen.
UnRuhr: Habt ihr schon Resonanz von Vertrieben?
Frank:
Soweit sind wir noch nicht, wollen da auch in gewissen Entwicklungsstufen langsam herangehen und z.B. erst noch mit unserer eigenen Band Superroach ein paar Sachen aufnehmen. Wir wollen auch mit Lorka Ende des Jahres noch eine neue Aufnahme machen, vielleicht ein ganzes Album oder noch mal so etwas Kleineres wie jetzt.
Ich hab z.B. die Unterlagen von Indigo, die mir insgesamt sehr sympathisch sind, weil die einem sagen, wie es ist, und keine falschen Hoffnungen machen. Aber man merkt schon, dass die auch so etwas wie eine Vision haben wollen, was wir jetzt eigentlich machen wollen. Die müssen das Gefühl haben, dass sie das wiederum auch ihren Kunden verkaufen können und selbst ein ganzes Stück weit dahinter stehen.
UnRuhr: Hat euer Name eigentlich eine besondere Bedeutung?
Andi:
(lacht) Es gab ihn noch nicht. Wir haben mal im Internet recherchiert und festgestellt, dass es bei Tausenden von Labels irgendwie alles schon gab. Ich weiß gar nicht wie wir genau darauf gekommen sind... ach ja, genau, wegen des Wortspiels. Bei Olympia gibt es auch den Unbroken Record, also ungebrochenen Rekord, hat also eine doppelte Bedeutung.
Frank:
Solche Namensdiskussionen können ja auch schrecklich aufreibend sein. Wir haben einfach ein paar aufgeschrieben. Dann wurde halt abgestimmt und das war's. Das mit der Doppeldeutigkeit war noch ein ganz netter Gag. Am Anfang fand ich den sogar noch etwas komisch, aber mit der Zeit gewöhnt man sich auch daran. Macht halt irgendwie deutlich, dass es was mit Musik zu tun hat.
UnRuhr: Seid ihr beiden tatsächlich allein oder arbeitet ihr noch im Netzwerk mit anderen Leuten?
Frank:
Natürlich gibt es noch Freunde und Bekannte, die da mitwirken - auch mal unbürokratisch. Wir spielen ja auch zusammen in der Band. Da hängen wieder noch andere Leute dran, mein Bruder z.B. spielt da auch mit, so dass das Ganze auch ein wenig etwas Familiäres hat. Ein Freund von mir, der selbst etwas im Bereich elektronischer Musik macht, versucht für uns dort Kontakte zu knüpfen, ohne gleich tausend Euro im Monat dafür zu verlangen, sondern einfach so.
UnRuhr: Jetzt muss ich noch auf meinen Zettel gucken,ob ich auch alles gefragt oder etwas vergessen hab'...nö...dann danke ich euch für das Gespräch. Hat Spaß gemacht.
Links:
Unbroken Records
Lorka
Review und Konzertbericht Lorka
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