Schmeißt mit Scheiße. Ein Plädoyer für die Provinz

Pure Provinzidylle-Where do you come from?
-From Germany.
-Where from Germany?
-Oh, near Cologne, you know.
Weil es keinen Sinn macht. Das Ruhrgebiet kennt sowieso niemand. Wir sind uncool und trostlos. Besonders für uns selbst sind wir so was von bemitleidenswert.

Deshalb erfahren nur die Hartnäckigsten der ausländischen Gesprächspartner meine wahre Herkunft. Hey, yes, I know, wie-ef-el bookum, great football club. Gott, ist das peinlich. Nur wegen eines Fußballvereins. Außerdem sind unsere Clubs so scheiße. In München, Hamburg und Berlin wird doch viel besserer Fußball gespielt.

Über Kultur reden wir mal besser gar nicht. Da stecken wir bis zu Ohrläppchen in der stinkenden Gülle der Mediokrität. Wir müffeln derart danach, dass wir uns selbst nicht riechen können. Mensch, natürlich ist das Ruhrgebiet nicht das El Dorado für Deutschlands Bildungsbürgertum. Doch selbst Dinge, die wir herzeigen könnten, verbuddeln wir solange im Dreck, bis sie keiner mehr erkennen kann. Wieso reden wir an dieser Stelle nicht über das Bochumer Schauspielhaus, die Essener Oper und Philharmonie, das Duisburger Lehmbruckmuseum und das Dortmunder domicil?

Stattdessen kotzen wir uns selber an, stinken nach toter Mitte und nicken pflichtschuldig, wenn uns Herr Hartmann aus Zürich nachträglich anpinkelt. Wieso nehmen wir nicht die Kacke, in der wir angeblich so metertief stecken, und werfen nach dem üblen Nachtreter? Ach nein, eigentlich hat er doch recht. Wir haben nicht die Mittelmäßigkeit von unseren Eltern geerbt, sondern das Devote und Larmoyante. Machen sich die Hamburger und die Münchener auch so einen Kopf, weil sie irgend etwas nicht als Erste hatten? Grämen sich die Düsseldorfer, dass sie ihre Strandbar am Rheinufer lediglich aus London und Paris abgekupfert haben? Wie viele schlechte Me-too-Bands gibt es in Berlin? Bei wie viel Musik ist aus-Berlin-kommen das einzige Qualitätsmerkmal? Ersäufen sich die Kölner im Rhein, weil die Popkomm dem Hype folgte und in die Hauptstadt zog?

Man kann Dinge auch mal gut finden, weil man sie von woanders kennt und versucht, sie lokalspezifisch anzupassen und vielleicht sogar besser kann. Ich muss sie nicht erfunden haben. UnRuhr ist auch nichts Neues, aber trotzdem cool. Tiefe Verbeugung vor Selbstkritik, doch man kann sich manchmal ganz arglos gut finden, auch wenn der Rest das Gegenteil behauptet. Wer sagt denn, das dass Metropolengeschrei echtes Selbstbewusstsein ist, und nicht nur Selbstbemusstsein, Herr Mats B? Große Klappe, nichts dahinter, sagte die Gratis-Oma.

-By the way, I’m from Bochum, and I love it.

Dies ist eine Replik auf die Provokation von MatsB.

Foto: Katja Helten