Air – G. Willow Wilson/M.K. Perker (Vertigo/DC Comics)

air_1Liest man schnell über Klappentext und Teaser hinweg, erscheint es zunächst wie eine launige, etwas abstruse Idee, die durch einen gehörigen Schuss Fantasie hochgejazzt wurde. Eine – Achtung – Stewardess mit Flugangst gerät in einen Strudel mysteriöser Ereignisse, die irgendwie zwischen 9/11, Liebesgeschichte, weltweiter Verschwörung, globalen Energieproblemen, Esoterik und Völkerkunde changieren. So weit, so seltsam. Eine andere Perspektive erhält das Ganze jedoch dadurch, dass Autorin G. Willow Wilson eine zum Islam konvertierte Amerikanerin und Illustrator M.K.Perker türkischer Herkunft ist.


„Air“ ist in den USA als neue Serie bei Vertigo erschienen, der Tochter von DC Comics, die sich den eher „erwachsenen“ Themen widmet. Nach „Letters from lost countries“ und „Flying Machine“ erscheint mit „Pureland“ im Mai der dritte Teil der Serie und erzählt die Geschichte von Blythe weiter. Die Stewardess mit besagter Angst vorm Fliegen entwickelt sich im Zuge der Story von einer etwas matten, typisch amerikanischen Blondine mit Hang zum Pillenschlucken zu einer mit metaphysischen Kräften beseelten Auserwählten im Kampfe gegen einen weltweit agierenden Geheimbund. Immer wieder kreuzt sich ihr Weg mit Zayn, einem Saudi, der in Boston studiert hat und nach konservativer Lesart wohl durchaus die klassischen Merkmale eines islamistischen Terroristen erkennen lässt. Das hält Blythe jedoch nicht davon ab, sich in Zayn zu verlieben und in seine Gedankenwelt einzutauchen.

air_2Als der Geheimbund, ein seltsames Fluggerät und interkulturelle Differenzen diverse neue Erzählfäden und überraschende Wendungen herbeiführen, startet die Geschichte durch. Zu Beginn nicht immer begleitet von dem vielleicht ersehnten Durchblick des Lesers – es knirscht schon gelegentlich in der Logik, aber nach und nach setzen sich die Teile zu einem Puzzle zusammen, das auch in den nächsten Folgen vermutlich noch einige Male neu komponiert werden dürfte.

Für Freunde von Verschwörungstheorien und Menschen mit Vorliebe für multiple Fantasy-Geschichten ist „Air“ eine Fundgrube. Zwar bleiben die Charaktere – zumindest in den ersten beiden Folgen – noch etwas blass und holzschnittartig, doch die kunstvoll eingewobenen Reminiszenzen an aktuelle Geschehnisse der letzten Jahre, die Zitate aus den Mythen der Weltgeschichte, der abrupte Wechsel zwischen Traum und Wirklichkeit, Rückblenden und harte Schnitte machen aus „Air“ eine Lektüre, die den suchenden Geist fordert. Da ist auch ein zweites Lesen durchaus mal angebracht.

Tatsächlich ist der interkulturelle Blick der Autorin und des Zeichners die eigentliche Stärke der Geschichte. Die Perspektivwechsel zwischen 1. und 3. Welt, Glaube und Rationalität, Wissenschaft und Esoterik, islamischer und westlicher Gesellschaft sind auf den ersten Blick ebenso anstrengend wie auf den zweiten Blick erhellend. Daher wird der gesellschaftskritische Leser hier ebenso fündig wie der Fantasy-Fan auf der Suche nach spannender Kurzweil. Nicht mehr und nicht weniger erwarten wir von einer neuen Serie.

air_3www.gwillowwilson.com/
www.mkperker.com
Interview mit G. Willow Wilson über Air
www.dccomics.com/vertigo/

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