Leidbild?

Mein VfLDer VfL Bochum hat sich als wahrscheinlich erster deutscher Klub ein Leitbild verpasst. Darin sind die Grundsätze der Innen- und Außendarstellung manifestiert, und es steht nicht drin, dass man den zweifelhaften, inoffiziellen Titel als Rekordwiederaufsteiger unbedingt verteidigen möchte.

Das neue Leitbild, hinter dem vier Jahre konzeptionelle und empirische Arbeit steckt, wurde kürzlich auf der Jahreshauptversammlung der Öffentlichkeit vorgestellt. Es strotzt vor Gemeinschaftsgefühlt, trieft von Lokalkolorit, reanimiert längst vergessene Ruhrgebietsklischees und liest sich wie ein psychologisches Behandlungskonzept für depressive Patienten, wovon VfL-Fans oft nicht weit entfernt sind. Doch zugegebenermaßen trifft es den Zeitgeist.

Denn es zielt auf die immer größere werdende Zahl an Fußballfans, die der moderne Fußballbetrieb desillusioniert. Das Leitbild nennt Begriffe wie ehrlicher Fußball, regionale Identität, Historie und Tradition, die im heutigen Fußballalltag nur noch marginale Bedeutung haben. Die Bochumer Vereinsgehirne versuchen den VfL in die einzig passende Nische zu manövrieren, die zwischen den beiden großen Nachbarn übrig bleibt. Der regionsverhaftete Malocherklub, der nicht aufsteckende Underdog inmitten der Reviere des ständig mit seiner Selbstüberschätzung kämpfenden BVB und des zwischen Bodenhaftung und Himmelssturm schwankenden S 04 oder wie im Leitbild formuliert: „...ein sympathisches Gegengewicht: selbstbewusst statt selbstgefällig, bodenständig statt abgehoben, anfassbar statt unberührbar."

Das VfL-Pamphlet scheint der Versuch, sich als Kultklub à la St. Pauli zu positionieren, der inzwischen schließlich republikweit Fußballfans anspricht, weil er die eigene, verschärft-bürgerliche Gesinnung ein wenig mildert. FDP wählen, aber St. Pauli schreien. Es ist die Instrumentalisierung des Losertums und erfolgversprechend.

Die Strategie des VfL ist modisch und geschickt. Jedoch begibt sich die Führung der Blauweißen auf dünnes Eis, sollte es sich lediglich um eine banale Marketingmaßnahme handeln. Deshalb ist nicht zu versäumen, den Verein von Zeit zu Zeit an seiner eigenen Zielsetzung zu messen, wenn es einmal wieder um Fragen geht wie: Osteuropäischer Wunderstürmer oder eigenes Talent, Einnahmeverzicht oder doch Hamburg-Mannheimer-Arena?

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