Früher Sonntag Morgen, kurz nach eins Dortmunder Nordstadtortszeit. The Master of Reggae, the Master of Dub and in fact the Master of the Universe zeigt sich dem Ruhrgebiet. Einen Pappteller voller entzündeter Teelichter in der hoch erhobenen rechten Hand vor sich her tragend, in der linken das wie üblich mit Gold- und Silbertand dekorierte Mikro.
Bereits Minuten vorher kündigen digitale Soundcollagen sein Kommen an. Drei Musiker an Bass, Schlagzeug und Gitarre erwarten untätig Scratchs Erscheinen auf der Bühne. In den kommenden 90 Minuten schaffen sie die unverwüstliche Basis, welche unter Zuhilfenahme allerlei digitalem Spiels zu einem wahren Soundgewitter aufbraust, unter dem Mr. Perry seine verbalen Eskapaden ausbreitet. My father’s name is Neptune, ruler of the seven seas, the starship is the moon, you are the stars...Die alte Reggaephrase von brimstone, lightning and thunder scheint augenblicklich personifiziert und lebendig.
Lee Perry machte jamaikanische Musik für die Siebziger, er nahm sich eine Auszeit in den Achtzigern, belebte den Reggae in den Neunzigern und führt in Dortmund vor, wie Roots und Dub im neuen Jahrtausend zu klingen hat. Gleich basischer Lava wälzt sich schwerster Dub, allerschwerster Dub träge ins Dietrich-Keuning-Haus. Die Deko des Volkshochschulkurses „Kreatives vorweihnachtliches Basteln“ dümpelt in den Schallwellen. Die Gitarre wird durch alle Effektgeräte dieser Welt gejagt, das Bühnenlaptop leistet Schwerstarbeit. Trotz allem erweist sich der Super Ape als Meister der Simplizität. Perrys riddims leben von der beauty of simplicity, Firlefanz lediglich in gut erträglichen Dosen. Scratch kann aber auch Schwieriges. I legalize ganja inna Germany. Nebenbei erklärt er sehr eindrucksvoll, wie es klingt, wenn ein Hahn Rastafari ruft. Sadness disappears means that sadness disappears.
Das scheint einen Großteil der Zuhörer zu langweilen. Schließlich reaktivierten die Sowilehrer eigens ihre antiken Lederhosen, um die als Reggae Legends Part II angekündigte Veranstaltung aufzumischen. Das Aufwärmen mit Culture und seit 30 Jahren unverändertem, klassischem Roots bürgte doch für ein so sanftes Entsinnen. Lee Perry fordert jedoch ein in die Zukunft projiziertes Erinnern von seinen Zuhörern. Fünf Bier und der erste Spliff seit zehn Jahren sind da eher hinderlich.
So verfolgten nur noch eine Hand voll Menschen Gottes Erscheinen im unRuhrgebiet. Doch unter Umständen ist Lee Perry echt bekloppt, und lediglich die alles hinterfragenden Feuilletonleser vermuten dahinter Genialität. Verarscht uns Gott vielleicht?
Foto: www.reggaephotos.de
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