Das hier folgende Interview mit Lord, Sensai und General Razz von THE PLEASURES fand im Anschluss an die Show im Kölner Underground statt. Front-"Diva" Dancette versuchte, dem Interview beizuwohnen und tauchte immer mal kurz alle paar Minuten zwischendurch auf, letztendlich verhinderte aber die intensive Fanpflege eine geregelte Teilnahme. Neo war leider bereits auf dem Heimweg nach Hamburg.
Lord, bei The
Pleasures bist du auch Frontmann, bei Big Boy eher Support, wie erfährst du das
im Vergleich?
Lord: Ich finde es
entspannend bei Big Boy ausschließlich Sachen zu spielen, die ich nicht selbst geschrieben habe. Bei den Pleasures
schreibe ja hauptsächlich ich mit Dancette die Songs, das birgt eine ganz
andere Form von Verantwortung, jedes mal wenn man sich verspielt hat man das
Gefühl sein eigenes Kind zu schlagen.
Ihr heißt THE
PLEASURES. Was ist für euch das höchste Vergnügen?
Lord: Jegliche Form von Vergnügen macht das Leben lebenswert und
verschafft letztendlich das dauerhafte Bestreben, dieses Leben weiter leben zu
wollen.
Sensai: Pleasure - Vernügen, hmmm, könnte ich im Moment nicht sagen.
Gen. Razz: Mit Lord in einem Bett einschlafen...
Lord: Das erinnert jetzt wieder
an die Gummibärenbande, stimmt's?
(Anspielung
auf das Interview mit Big Boy...)
Inwiefern drückt ihr
das in euren Songs aus?
Lord: In den
Songs geht es maßgeblich um Sex, wobei das kein Konzept ist, aber vermutlich
die Hauptinspiration. In unserem neuen Song „Freedom" , zu dem es im Dezember
auch ein Video gibt, findet man auch mal politische Ansätze, nämlich die
Etablierung von Tabus und Lastern, da sie natürliche Bestandteile des
menschlichen Lebens sind. Wenn man den philosophischen Aspekt von Satanismus
betrachtet, so könnte man uns auch grundsätzlich als Band mit satanistischer
Weltanschauung betrachten, nur ohne dass wir den Teufel anbeten. Es geht um die
Akzeptanz des fleischlich bestehenden Menschen mit all seinen Lastern.
Sensai: Ja, nur das bleibt übrig: Spaß.
Gen.
Razz: Mich bewegt nur Sex: Trommeln und Ficken.
Sensai: Gleichzeitig?
Gen.
Razz: Das ist mit dem Timing schwierig.
THE PLEASURES auf der
Bühne: pure Lebenslust oder was noch?
Sensai: Lebenslust und manchmal auch ein bisschen Zerstörungswahn, also
destruktive Energie.
Lord: Wir sind halt nicht nur oberflächliche Spackos, wir
machen uns selbstverständlich auch Gedanken über das profane Leben hinaus und
erstaunen die Leute manchmal damit, was noch alles dahinter steckt und womit
wir uns in philosophischen Dingen weitergehend beschäftigen. Nur mir Sex und
Spass kommt man nicht weiter. Wir setzen auf Kontinuität und harte Arbeit. Das
kann man sehen, wenn man unseren Werdegang verfolgt.
Welche Bedeutung hat
eure Schminke, euer Style?
Gen.
Razz: Wie gesagt, es geht auch um Etablierung von Tabus in der Gesellschaft. In
Großbritannien hat uns jemand gefragt, was das soll: geschminkte Männer. Wir
haben das einfach umgekehrt und gefragt, warum er denn nicht geschminkt sei.
Sensai: Es geht auch darum, das Innere nach außen zu kehren. Wir springen
herum, haben Spaß und in Jeans und T-Shirt käme das irgendwie ätzend.
Gen. Razz:
Dazu gibt es noch eine interessante, kleine Geschichte: Wir sind geschminkt an
einer Tankstelle vorgefahren und die Leute haben uns komische, abschätzende
Blicke zugeworfen. Wir sind dann aber - von denen völlig unerwartet
-vorgefahren und haben Platz gemacht. Der Gesichtsausdruck war dann grandios. Es
macht Spaß, totale Verwirrung zu stiften, indem man Klischees aufbaut um sie
dann wieder zu brechen.
Viele Bands im
Indie-Business setzen auf schwarz, von euch gibt es z.B. auch Bilder in
silber-weiß, wie kam es dazu?
Sensai: Die Künstlerin Tina Cassati weiss was sie tut, so haben wir sie einfach
mal die Pleasures in Szene setzen lassen.
Lord: Sie hat Pleasures interpretiert
als eine Linie, elegant und schlicht, nicht wie bisher nur zirkusbunt. Momentan
wollen wir die weiße Linie ein wenig weiterfahren, das hat ein ganz neues
Pleasures-Gefühl geschaffen, glamourös und elegant, nicht nur trashig.
Sensai:
So wie Picasso seine blaue Phase hatte.
Lord: Ansonsten ist das je nach
Grundstimmung von Tag zu Tag auch verschiedenen. Mal dunkler, mal heller, mal
mehr, mal weniger Blut.
Wie waren die Gigs in
England im Vergleich?
Lord: Die
Resonanz war krass. Die Leute sind dort anders drauf. Man merkt, dass die Worte
„Fan" und „Fanatismus" dort herkommen. Das ist uns mit aller Macht
entgegengeschlagen. Die Fans sind hinter uns hergerannt, wir mussten zum ersten
Mal in unserer Karriere weglaufen. Die haben uns quasi die Klamotten vom Leib
gerissen und irgendwann stand ich da nur noch mit Hotpants und Stiefeln... Als Frisch-Verheirateter
war das dann besonders schräg.
Was sagen eure
Verwandten / Freunde / Frauen über eure Art von Kunst?
Lord: Ich brauche jemanden an meiner Seite der mir nicht ständig das
Gefühl vermittelt dass alles was ich tu einfach nur toll ist, ich brauche ein
kritisches und ehrliches Gegenüber. Meine Frau hat am Anfang mal kommentiert:
„Oh, habt ihr euch mit verbundenen Augen gegenseitig lustig bunt angemalt?"
Sensai: Meine Mutter macht mir die Haare, meine Freundin hilft beim Schminken
und lackiert mir die Nägel, meine Schwester geht mit mir Klamotten kaufen, mein
Vater steht daneben und grinst sich eins... Und mein Opa hat ernsthaft die CDs
alle stehend in der Gartenlaube aufgereiht.
Lord: Und du hast ja vorhin
mitbekommen, dass meine Mutter mich angerufen hat, noch auf der Bühne, und
gefragt hat, wie die Show war, mit Big Boy hat sie dann auch noch ne Weile
gesprochen.
Gen. Razz: Meine Familie war erst schockiert, aber jetzt finden sie
die Idee geil, den Traum zu leben und alles dafür zu tun.
Ihr habt im
UNDERGROUND gespielt. Passend oder nicht passend?
Lord: Der Name hat einen dreckigen Beigeschmack, aber wir sind schon
ein Teil des Underground, denn wir sind ja nicht Overground. Wir schminken uns
allerdings weil's uns Spaß macht und nicht um irgendwie auf Krampf
"underground" zu sein oder weil irgendeine Castingtussi uns erzählt,
dass das jetzt ganz furchtbar "in" ist, und weil es jetzt auf einmal
nach Bill Kaulitz, obwohl der ja noch fast cool ist, auf einmal funktioniert,
ihn als fünffachen Klon unter dem Namen Cinema Bizarre auf den Markt zu schmeißen,
ohne Anspruch auf einen Funken Glaubwürdigkeit oder Gehalt. Die logische
Weiterführung wäre so ein Dreck wie Lexington Bridge.
Auf welchem Event
würdet ihr gern mal spielen oder wärt ihr gern dabei gewesen als Band?
Lord: Wir würden gern auf der nächsten
Revolverheld-Tour als Support spielen. Nein, mal im Ernst, als Support bei der
„Reise, Reise"-Tour von Rammstein wäre ich gern dabei gewesen.
Sensai:
Rammstein sind Götter, Wagnerianische Comicfiguren!
Lord: Das ist gigantisch,
was Rammstein macht.
Sensai: Ja, und diese Rockpalast-Shows mit T-Rex, Sweet
und so, das war zwar geil, aber da hätten wir nicht hingepasst. Das wäre wie
seinen eigenen Großvater umbringen und das Universum hört auf zu existieren.
Lord: Es ist Glam was wir machen, hat aber mit den alten Wurzeln des Glam
nichts gemein. Nur Neo-Glam klingt jetzt auch doof. Man kann uns beschreiben
als Rockmusik mit Schminke und das ist nach wie vor Glam. Die erste Generation
war sehr cool, aber das war ein anderes Level, eine andere Richtung.
Sensai:
Die hatten andere Tabus zu brechen, z.B. Marc Bolan hatte nur Kajal und das war
schon ein Skandal.
Gen. Razz: Ich hab da mal eine Reportage gesehn und man hat
erkannt, wir passen da nicht rein. Wir sind eben doch eine Mischung aus
Rammstein und der „T-Rex-Geschichte".
Famous last words?
Gen. Razz: Ficken und Trommeln.
Lord: Sex, Sex and Rock n Roll. (nach eigener Aussage haben es die Pleasures nicht so mit den Drogen...)
Sensai: Freude, einfach nur Freude!