das debüt „is it real“ ist, einschließlich der beiden follow-ups „youth of america“ und „over the edge“, in der zwischenzeit wieder einmal auf vinyl veröffentlicht worden und im paket mit album 2 und 3 auch als 3-fach CD-box mit der kompletten „alien boy“ EP und 23 bonus tracks (davon 6 unreleased songs) erhältlich. und: natürlich lohnen sich alle drei. drei klassiker mit eigenen schwerpunkten und natürlich auch was von erblast für die wipers wie für greg sage; schnell heisst es ja: die danach braucht man eh nicht (aber dazu später mehr).
und noch etwas: um die subjektivität noch zu erhöhen und mich gleichzeitig selbst zu testen, habe ich diesen überblick in weiten teilen geschrieben, ohne mir die einzelnen platten vorher noch einmal anzuhören. erst dann, wenn die weißen flecken zu deutlich wurden, habe ich nachgelegt (und natürlich am schluss des ganzen, ein ganz klein wenig selbstkontrolle ist so schlecht ja nicht). und das ergebnis sagt ja auch so einiges: über den klassikerwert, das eigene erinnerungsvermögen und vielleicht auch noch über die bedeutung, die die band zu unterschiedlichen zeiten für einen selbst hatte und hat. vielleicht nur schwierig, zu sagen, was wann davon dann tatsächlich zutrifft...
„is this real“, ursprünglich ganz roh von greg sage (vermutlich im proberaum) selbst aufgenommen (und in dieser form zum teil auf der oben genannten box als bonus tracks enthalten), wurde auf druck des damaligen labels noch einmal im studio aufgenommen und blieb, aufgrund großer unzufriedenheit von greg sage, die einzige in dieser form aufgenommene wipers-platte; alle weiteren wurden von ihm in der folge dann wieder selbst erledigt. gut, auch wenn greg sage (wohl wegen der umstände) diesen weg nicht mehr beschritten hat, gehört „is this real“ mit ihrem direkten und fetten sound in jedem fall zu denen, die ich am stärksten finde. mit einem ganzen haufen von hits, die auch durch das teils groovy selbstbewuste bassspiel leben (bestes beispiel: „potenzial suicide“), bzw. auch mal straight ahead punk („up front“) und durch einen wirklich präsenten gitarrensound gekennzeichnet sind. soli bleiben kurz und prägnant und sind echte hooklines, erweiterungen des songs (bei „window shop for love“, z.b.). klassiker, unbedingt empfohlen.
gut, eigentlich hier die konzentration auf die LPs, die „alien boy“ EP, erschienen als 7“ und 12“, muss jedoch wegen (mindestens) zweier ihrer (vier) songs unbedingt erwähnt werden: „alien boy“, das titelstück, wohl möglich eine spiegelung von greg sage's seelenleben (nicht nur?) zur damaligen zeit (oder auch ganz anders, siehe wikipedia...), vereint groove, irgendwie auch blues und punk zu einem kompakten hit, der referenzklasse besitzt, wenn es darum geht (wieder mal), wie mit einer mikroskopisch kleinen abwandlung im anschlag druck aufgebaut werden kann und wie es möglich ist, harmonisch eindrucksvoll abzukippen, ohne dass der song zerbricht. und ein weiteres highlight: „image of man“, eines der schnellsten stücke der wipers ever. mit einem furiosen bass-/gitarrenlauf als klammer. und einer perfekt ausbalancierten strophen/refrain kombi. unfassbar gut. auch auf manchen der neuauflagen der „is it real“.
„youth of america“, der follow-up der „is it real“, ist zunächst einmal viel dunkler im sound; nach der fast straighten, punkigen vorgängerplatte geradezu düster: „pushing the extreme“ (genialer riff), „when it's over“, „no fair“ und natürlich das titelstück, 10 minuten lang und vor allem gitarre. von dem intro-melodiethema ausgehend, werden schnell ein paar strophen und refrains abgehandelt, um dann, nachdem bass und schlagzeug eingetaktet sind und nahezu stoisch die (dennoch federnde) grundlage bilden, einen gitarren-par-force ritt loszulegen, inklusive feedbacks, echo-kaskaden und vor allem: jeder menge fuzz. und gefühl dafür, das so tun zu können. grossartig (zumindest für die, die so etwas mögen). inklusive echter spannungskurve statt einfach immer nur mehr, inklusive zurück zum song in einem wirklich flüssigen break, plus end-titles.
nach dieser dunklen epic eine neuausrichtung: „over the edge“ rau, scheppernd und dabei wieder unbedingt nach vorn. das an spielzeit eins gesetzte titelstück macht schon alles klar und stimmt auf den auf dieser platte charakteristisch anderen gesang ein, der fast auf ganzer länge einen wütenden greg sage zeigt, anklagend, oft am limit. genial auch „so young“ mit dem bei jedem hören aufs neue umwerfenden zusammenspiel aus oktaviertem gitarrenthema und harmonisch perfekt gesetzten basslauf. wenn sonst immer joy division (zu recht) als beispiel herhalten müssen, was man mit 3 instrumenten der klassischen art so an varianz und aufbau hinbekommen kann (ohne overdubs), hier ist ein ebenbürtiger track. von mir auch immer gern genommen „generation gap“, ansonsten mit der damaligen single „romeo“ und einer ganzen ecke weiterer knaller („can this be“...). bis hierhin gibt es keine ausrede, diese platten nicht zu haben, wenigstens zu kennen.
wer die rauigkeit der ersten drei wipers platten mag, bekommt sie auf „wipers“, der live platte, gleich doppelt. auch wenn bei dem einen oder anderen stück die gitarre lauter sein dürfte (verglichen mit dem gesang), aber eben auch unvergleichlich direkt und mit catchy abwandlungen der ursprünglichen motive (z.b. die solo-sprengsel im auftakt von „D7“). mit der einführung des wipers-barbwire-peace-logos als coversymbol und ansonsten nicht auf studio lps enthaltenen stücken („moon rider“, „think about it“, „tell me“).
„land of the lost“, im cover so ein wenig vorgezogenes jurassic-park, ist eine platte, die es (vermutet nicht nur bei mir) immer ein bisschen schwer hatte und hat. nicht so druckvoll, die songs dadurch eher suchend, in der attitüde unentschlossener wirkend; die drei meilensteine vorher machen es nicht einfach, diese platte ebenso zu mögen. ...denn vielleicht ist das problem der „land of the lost“ auch gar nicht sie selbst, ihre songs („nothing left to loose“ = hit), ihr sound, ihre attitüde, sondern halt, wie so oft, allein das vorhergegangene und die daraus resultierende erwartung. aber trotzdem, zugegeben; für sich selbst und einfach noch ein paar mal wieder in erinnerung gebracht: „land of the lost“ als ganzes rockt und auch ein stück wie „just a dream away“ ist (nicht nur ein cooler titel / cooles thema für einen song, sondern) schlicht wipers referenzklasse, vielleicht etwas trockener im sound, auf jeden fall insgesamt rockiger als die (cool) scheppernde „over the edge“. aber straight ahead, das waren die wipers ja ohnehin nie.
und überhaupt; „straight ahead“: kein album der wipers, sondern greg sage soloalbum nummer eins. da er sowieso alle stücke der wipers geschrieben hat (auch eine art, „the power in one“ zu lesen...) ist der unterschied, weil er das grundsätzliche musikalische konzept beibehält, schon was graduell, andererseits wird so, nach den vorhergehenden wipers platten, ein weiteres kapitel in sachen soundästhetik aufgeschlagen (das später bei der „silver sail“, zumindest meiner meinung nach, bei einigen stücken wieder auftauchen wird): trockener und leichter, weniger (punk)rockig, fast mit countryanleihen (im sound), am ehesten das, was irgendwann mal „indie“ heißen wird. in weiten teilen, was die instrumentierung betrifft, trotzdem bandmässig umgesetzt, aber wohl alles (vermutlich) durch greg sage selbst eingespielt; über dem ganzen album eine art träge melancholie, die einen starken reiz ausübt, das titelstück (mit seinem aufruf, alle widrigkeiten quasi links liegen zu lassen, oder seiner kritik an leuten, die genau das unreflektiert tun; ich weiß nicht, wie greg sage es meint) ist da (music fits title fits content) schon das kraftvollste, gradlinigste stück der ganzen platte, die auf seite zwei immer stärker „lost in space“ wird, mit greg sage allein, nur gesang und (echo)gitarre... schönes album, das natürlich(?) auch ein wipers album sein könnte, durch die stellung als greg sage soloalbum aber die abweichende soundhaltung viel schneller akzeptieren lässt (erwartungshaltung, mal wieder, siehe dazu auch, weiter unten, soloalbum nummer zwei...)...
„follow blind“: und wieder leichte veränderung in sound: die gitarre oft chorus besetzt (auch bei verzerrung; ob durch ein pedal oder, wahrscheinlicher, über sein tape-echo erzeugt; egal), der gesamtsound voll, zwar „studio“, aber lebendig mit raum, die stücke kraftvoll, auch mit wendungen, die im repertoire neu sind. und spätestens hier der kompositions-grundstein, was dieses fliessen betrifft, das auf den späteren platten die einzelnen stücke, aber auch (und eben auch sehr stark) die gitarre als solo-instrument betreffen wird. aber immer noch focussiert, hier auf „follow blind“. insofern, wenn mann / frau es bis hierhin geschafft haben, darf die aufforderung des titels, was diese platte betrifft, ruhig so verstanden (und befolgt) werden...
wenn ich eine späte platte der wipers nennen soll, die ich genau so wichtig/gut/was weiß ich finde wie die ersten drei, dann „the circle“. das fängt schon bei dem (eigentlich unbeschrifteten, aber mit plattenfirmenangststicker versehenen) frontcover an. trotz teilweise ruhigerer („blue and red“), teilweise fast konventionell rockiger (dabei trotzdem killermässiger) songs („time marches on“) ein in der stimmung ähnlich dunkler brocken wie „youth of america“; ganz besonders im titelstück, bei dem greg sage wieder alle register zieht und feedbacks über ein düsteres riff stapelt und die ausweglosigkeit der sich wiederholenden ereignisse besingt. und mit „i want a way“ nicht nur ein berechtigter wunsch geäußert, sondern ein speedkracher an die eins gesetzt wird. inklusive organisch mit dem song verwachsenem solo.
„sacrifice (for love)“, greg sage solo album nummer zwei mit knetgummi-skull-cover und, ja: drum-machine. im ernst. ob greg sage diese aus not oder wunsch eingesetzt hat, gehört zu den dingen, die ich ihn gerne mal fragen würde. der sound von gitarre und bass dann auch sehr viel mehr „studio“, die songs selbst (dem titel entsprechend?) tendenziell sehr rund und „schön“, aber: gute songs. punkt. aufgrund der umsetzung aber auch eine recht harte prüfung; diese stücke mit band eingespielt oder im stil des „straight ahead“ albums; die vorstellung lässt da so einiges zu und es bleibt, trotz der qualität der songs, so der leicht schale beigeschmack einer vertanen chance. aber wer weiß, vielleicht war das, was wir da hören können zum damaligen zeitpunkt genau das: die einzige chance.
„silver sail“; ich schätze mal eine platte, die viele altfans (und auch zur damaligen grungezeit aufgekommene neue?) nicht mochten und es vielleicht auch immer noch nicht tun: viel cleaner gitarrensound. daneben eine geradezu epische ballade, extrem fuzzy und mit einem sound, der gewöhnung braucht: sehr höhenbetont, kaum körper. dennoch eine platte, die ich unbedingt empfehle; ist der klang erstmal akzeptiert, offenbart sich die qualität der songs, mit gitarrenparts, die zwar selten („silver sail“, „never win“, beide zusammen auch single-auskopplung) diese energie transportieren können (und vielleicht auch wollen) wie zu klassikerzeiten, die aber auf den punkt kommen und wieder hooklines setzen („sign of the times“). und eine ballade wie „prisoner“ zeigt eben einfach, dass greg sage immer noch weiß, wie man dramaturgie aufbaut. nur halt mit etwas anderen mitteln als früher.
„the herd“, das album nach langer pause, aufklappcover, das wipers barbwire-peace-logo in 3D-in-space; sounds like: jetzt aber noch mal/wieder richtig. zunächst ist „the herd“ ein nach „silver sail“ wieder abgehendes album, allerdings beherrscht von dem gefühl, viele riffs schon mal gehört zu haben (auf anderen wipers alben) und da auch noch besser, will sagen: prägnanter. letzterem entzieht sich „the herd“ auf weiter strecke; die songs fließen wie ein durchgehender strom ohne ecken und kanten, auch innerhalb des einzelnen songs herrscht dieses fließen, immer wieder unterstützt durch ebenso fließende soli, die genau deswegen ebenfalls keine markanz in die songs einbringe können. und vielleicht ist deshalb „sinking as a stone“, eine fuzzy ballade im stil von „prisoner“ von der „silver sail“ so etwas wie eines der wenigen stärker profilierten stücke.
das bisher (1999) letzte album, „the power in one“, gibt sich gegenüber „the herd“ mit seinem einfachen zwei-farb-cover und reduzierter grafik wieder deutlich mehr basic, die soli sind wieder kürzer, die songs dunkler, aber auch hier: ein fluss über beide seiten, schwierig eckpunkte zu benennen, höhepunkte zu erkennen. aber: möglicherweise ist das einfach greg sage's art in seiner ganz persönlichen post-post-punk zeit: die musik einfach aus sich herausfließen zu lassen, ohne (vordergründig) anklagende attitüde, aber (zum glück) auch nicht ohne kraft (im song). möglicherweise aber auch ohne echte vorstellung davon, wie die wipers im x-ten jahr ihres bestehens klingen könnten, in kompostion und sound. vielleicht auch gerade wegen dieser vergangenheit: ein klassiker zu sein; gut möglich, dass es einfacheres im leben gibt. vor allem, wenn man noch daran teilnimmt.
epilog: „electric medicine“, als „new recording project“ von greg sage für märz 2002 angekündigt (so auch im booklet der oben genannten, damals erschienenen 3-CD box), geistert hier und da als phantom durchs internet, da auch als drittes soloalbum bezeichnet, ist aber meines wissens nach nie erschienen (und wurde wohl, als name, allein für eine tour benutzt). mit blick auf die zeit, die seitdem vergangen ist, wäre es eine echte überraschung, wenn es das dann doch noch irgendwann täte. oder irgendeine andere neuigkeit zu vermelden wäre...
schöne grüsse
n