Seachange – On Fire, With Love (Glitterhouse Records, Indigo)

CoverDie Nacht sinkt herab und die Temperatur auf erträgliche Maße unterhalb 30 Grad. Zeit, sich endlich der Rezension des neuen Albums von Seachange zu widmen. Immerhin ist sie schon im Mai erschienen und läuft seit gut zwei Wochen regelmäßig bei mir Auto. Obwohl, wenn man es recht überlegt, „On Fire, With Love" nur gelegentlich Musik fürs Auto ist. Letztlich kann man sich beim Fahren dann doch nicht vollständig auf Musikalia konzentrieren. Doch das sollte man bei diesem Album.

Der Opener „Annie, Tacoma" setzt scheppernd ein, gleitet über in flächige Harmonien, die jedoch immer wieder von einer enervierenden Zerrgitarre gestört werden. Das ist in der Rückschau - nach dem Hören des ganzen Albums - gleich als eine frühe Standortbestimmung zu deuten. Hat mich spontan manchmal an Dinosaur Jr. erinnert und insofern gleich gefesselt. Guter Einstieg.

Was dann folgt ist noch besser: „Battleground" kann zwar der durchgenudelten Metapher von der Liebe als Schlachtfeld textlich auch nichts Neues mehr abgewinnen, aber musikalisch kracht es mit groovenden Triolen im Gepäck durchs limbische System. Beeindruckend auch hier, dass Seachange - wie schon auf ihrem noch schallend dräuenden Erstling „Lay of the land" - es perfekt verstehen, retardierende Elemente in die Songs einzubauen, um gleich danach kunstvoll eine neue Kraft aufzubauen.

Aus dem Pressetext erfahre ich, dass ursprünglich ein Doppelalbum geplant war, das einen Laut-Leise-Gegensatz aufbauen sollte und insofern dieser Dynamik gut zu Gesicht gestanden hätte. Aber irgendwie auch nicht, denn Dynamik entfaltet sich letztlich innerhalb eines Songs oder in Gegenüberstellung zweier aufeinander folgender Stücke. Zum Beispiel wenn Seachange im vierten Stück ihrer Akustik-Folk-Leidenschaft nachgeben und einfach mit dem akustischen „Anti Story" einen Seegang zurückschalten.

Noch besseres Beispiel für die Dynamik der Band ist dann das folgende „Key" - für mich das Charakterstück der Platte, weil es einen „Streets"-ähnlichen Sprechgesang mit massigen Gitarrenausbrüchen kombiniert und in solchen auch kulminiert. Repeat bitte!

In der zweiten Hälfte kann das Album diese Spannung nicht immer halten, aber das wäre auch fast zu viel verlangt. Auf „Midsummer Fires" überraschen Seachange dann plötzlich noch einmal - gerade auch im Gesang von Dan Eastop - mit einem Sound, der fast wie REM zu besten Zeiten klingt. Und mit dem epischen „In" verabschiedet sich das Album in einem ewigen Kreislauf der Begriffe:

I know I left you reeling
I know I left you thinking
I know I left you turning
Around and around and around

Insgesamt offenbaren die Jungs und das Mädchen aus Nottingham eine ungeahnte Songwriting-Qualität, die für die Zukunft noch einiges erwarten lässt. Nach hochfliegenden Plänen für ein Doppel-Album kam so zwar „nur" ein 40-Minüter heraus. Aber mehr bedarf es ohnehin nicht, um zu schimmern und gelegentlich zu glitzern. Seachange haben mit diesem Album zwar nicht den Indierock, aber ein wenig sich selbst neu erfunden.

Übrigens: Am Dienstag, 19.09.2006 im Gebäude 9, Köln, Deutz-Mülheimer-Straße 127-129.

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