aidan baker „already drowning“

Aidan Baker Already Drowning kleinaidan baker veröffentlicht wahre unmengen, vieles davon frei improvisierte oder zumindest oft so klingende solo-exkursionen mit elektrischer gitarre und effekten; dazwischen sucht er aber auch immer wieder und unermüdlich neue wege, lädt gäste ein und / oder entwickelt vorab, noch vor komposition und aufnahme, feste konzepte, denen die komposition dann zu folgen hat. „already drowning", als cd und lp auf gizeh records erschienen, ist eine dieser veröffentlichungen, die sogar alle beide ansätze zur variation vereinen:

als großes durchgehendes thema steht über „already drowning" die bezugnahme auf mythen und sagen aus traditioneller überlieferung und verschiedenen romanvorlagen, in der musikalischen umsetzung die integration von 13 gästen an instrumenten und (weiblicher) stimme, wobei aidan baker selbst diverse gitarren, bass, flöte, schlagzeug, posaune und klavier übernimmt... herausgekommen ist ein über weite strecken sehr intim klingendes album mit „drone-songs", die immer auf der grenze zwischen klassischem songformat und experimentellen strukturen zu balancieren scheinen; vom ansatz also fast so wie auf den von aidan baker selbst besungenen titeln auf der „green and cold"; hier, auf „already drowning" aber trotz der stark erweiterten besetzung erheblich reduzierter in der umsetzung als im jahr 2007 auf der damaligen soloveröffentlichung:
das titelstück, gesungen von clara engel (auch schon als gastsängerin auf „liminoid" in erscheinung getreten) und von leah buckareff mit akkordion und jessica bailiff mit zusätzlicher gitarre begleitet und „30 days / 30 nights" mit letzterer an stimme und synth (plus laura bates, violine und nick storring, cello) lassen die platte sehr konkret und fassbar starten, was struktur und die stellung des gesangs betrifft;
mit „mélusine" (valérie niederoest und maude oswald am gesang und nick storring am cello) dann das erste stück, das jede struktur aufbricht, fast wie ein collagenhaftes loop strudel entwirft, den doppelgesang viel stärker als reines instrument begreift und fast dekonstruiert.
„mein zwilling, mein verlorener", gesungen (und übersetzt) von joanna kupnicka fast asketisch, nur der auf deutsch gesungene text, akustikgitarre und sparsames schlagzeug; erst nach und nach, mit der entwicklung der geschichte um das lebendiggewordene spiegelbild verdichten sich die instrumente, addieren bass und akkordion (wieder leah buckareff) und lassen das schlagzeug schließlich gerader werden.
„tout juste sous la surface, je guette", von geneviéve castrée als das zweite nicht auf englisch gesungene stück vorgetragen, schlägt auf eine art den bogen zurück zu den beiden albumopenern und wird mit seinen (gebremsten) ausbrüchen und der art des stimmeinsatzes trotz der streicherdominierten umsetzung (laura bates, violine) fast rockig.
das von liz hysen gesungene „ice" greift die dynamik des vorgängers auf, setzt sie aber auf eine ganz eigene, noch verhaltenere, abwartende art um; der gesang fast zu einem flüstern zurückgenommen, wie eine wispernde fläche, die sich nur im (abstrahierten?) ausbruch etwas erhebt (um dann dabei von den saxophonen von laura rodie attackiert zu werden).
„lorelei / common tongue", das abschlußstück, reduziert sich, leise gehört, fast ganz auf den intimen, weit nach vorn geholten gesang von carla bozulich und dahinter liegende, undefinierbare schichten von instrumenten und stimmen... erst mit jedem weiteren hören entschlüsselt sich dann mehr und mehr, was in diesem stück tatsächlich alles dem gesang sowohl als unterlage als auch widerborstigen gegner gegenübertritt; mit carl pace' einsamer trompete als einzige hilfestellung, bevor das ganze stück in seine einzelteile zerfällt.

„already drowning" entstand in einem zeitraum von 2009-2011, was der platte (zum glück) nicht anzuhören ist; im vordergrund steht der durchgehend fast akustische appeal und eine fragile atmosphäre; die tatsächlichen experimente in struktur und sound fügen sich so selbstverständlich ein, dass sie fast nicht (mehr) als solche auffallen... eine platte mit vielschichtig hintergründigem charme; in einem die (eigentlich überhaupt nicht mehr nur angedeutete) sexuelle aufladung historischer brunnenplastiken enthüllenden sw-cover von aidan baker selbst. perfekt.

schöne grüße

N

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