Jens Friebe - Abändern

jensfriebe_abaendernEs hat leider eine Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, dass Jens Friebe die Cover-Version des Venga-Boys-Klassikers "Up and down" zu "Ab -än-dern" verballhornt hat. Das ist eine sträfliche Ignoranz gegenüber einem plumpen Kniff, den ich als plumpen Gag abtun wollte, denn es ist wohl so eine Art Schlüssel zum Verständnis des zitatreichen Albums.

Statt eines ewigen Auf und Ab soll es Fortschritt signalisieren, heißt es da von hochoffizieller Seite (a. auch Interview). Viel mehr jedoch ironisiert es eigentlich den ewigen Kreislauf des Pop, nämlich aus den immer gleichen Versatzstücken Neues zu produzieren: mashup, sampling und loops. Der Pop zitiert sich selbst. Und die große Kunst des Jens Friebe ist es, dennoch einen neuen Zugang zu schaffen.

Die ersten vier Stücke des neuen Albums lehnen sich in meinen Ohren auch noch ein wenig an den Vorgänger  „Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert“ von 2007 an -  chansonhafter Gassenhauerpop mit einem Schuss dandyhaftem Gehabe, das alle Feuilletonisten zurecht so geliebt haben. Die Melodien gehen ins Ohr und Friebes Lyrik läuft auf Hochtouren:

„Und die Jahre, die wir brauchen, bis wir uns davon erholen,
ziehen vorbei wie fremde Koffer auf dem Band im Charles de Gaulle.
Und die Lotsen winken den Piloten Lebewohl.“

Aber auch das Sampling setzt ein. „Königin im Dreck“ ist eine Hommage an Ronald M. Schernikau, den schwulen und kommunistischen Dichter, der noch 1989 in die DDR übergesiedelt war und auf dessen Motiven und Metaphern der Song aufbaut.

Das fünfte Lied ist eben jenes schicksalhafte "Up & Down". Danach wird es ruppiger und etwas expertimenteller, auch wenn Friebe sich nie von der versöhnenden Melodie verabschiedet. Noch immer steht das Klavier im Vordergrund, hämmert sich jedoch unberechenbarer durch die teils leicht verstörenden Inhalte.

Eine Geschichte über das in der schwulen Szene gelegentlich anzutreffende Spiel mit Nationalfetischen mit einer Abwandlung von ModernTalkings "Atlantis is calling - SOS for love" zu "Atlantis is calling - SS or love" zu untermalen, darf man getrost als popkulturellen Geniestreich einordnen.

Jens Friebe bewegt sich sicher auf der Höhe des Zeitgeistes, skizziert Großstadtmenschen und Kleinstadtillusionen, spürt mit lakonischem Witz den Verwirrungen unserer doch irgendwie seltsamen Gesellschaftsordnung nach und bleibt dabei dennoch auf einem soliden melancholischen Fundament.  Eine schöne Pop-Collage, die man sich zuhause an den Plattenteller nageln sollte.

Das offizielle Interview  - s. unten - ist übrigens von gleicher Art.

http://www.jens-friebe.de/
Kaufen im Popkultur-Shop

http://www.dailymotion.com/video/xewbzj_jens-friebe-abandern-interview_music