Timo Breker ist einer von uns. Bodenständig, grundehrlich und wahnsinnig unprätentiös. Und das in einer Zeit, in der man sich täglich einer medialen Flut maskenhafter Visagen gecasteter und selbsternannter Superstars ausgesetzt sieht, die an Banaliät nicht zu übertreffen sind. Er versucht erst gar nicht, seine Makel zu vertuschen oder zu übertünchen, sondern lässt sie zu. Und gerade das macht die Faszination an ihm und seiner Musik aus.
Der 21-jährige Sänger/Songwriter indonesischer Abstimmung bringt mit „Wait & Learn" seine erste, fünf Songs umfassende EP heraus. Ohne zu übertreiben, kann man sie ein kleines Meiterwerk nennen, deren einziges Manko die geringe Zahl der auf ihr vorhandenen Lieder ist. Ein „Makel" - und damit hervorstechendstes Attribut - ist Brekers unverwechselbare Stimme: Die Vokals sind nicht glockenklar oder leicht eingängig, sondern haben eine kehlig-samtige Qualität, sind verschliffen und roh und damit viel authentischer als die anderer, die zwanghaft versuchen, ihrer Stimme eine großartige Ausdruckskraft zu verleihen und dabei nicht verstehen, dass weinger manchmal tatsächlich mehr ist.
Schließt man die Augen und lauscht den Liedern, hat man das Gefühl, nicht er allein zu sein. So als säße Breker mit seiner Akustikgitarre auf einem Barhocker im Raum und gäbe ein exklusives Heimkonzert. Kein Zufall: Der Entstehungsort der ersten Demo-Versionen der Songs war des Sängers eigene Küche. Auch wenn sie für die EP in einem professionellen Tonstudio aufgenommen wurden, haben sie sich den Charme des Spontanen und Unbefangenen erhalten.
Der Aufbau der Songs lässt erkennen, was Breker ohne Zweifel ist: ein musikalischer Erzähler, ein moderner Barde. Der tonale Spannungsbogen saugt den Zuhörer in das jeweilige Musikstück hinein und lässt ihn bisweilen geradezu mitfiebern wie in einem guten Kriminalroman. In „No Man's Land" z. B. faded zum Ende hin die Gitarre, man denkt, man verliert den Sänger, will ihn halten, und plötzlich kommt er zurück, ganz Stimme, ganz Gefühl. Wenn im hinteren Teil des Songs „Good Enough" der Gesang in Wellen aufbrandet, läuft man Gefahr, in diesem Klangmeer unterzugehen. Er zieht einen nach unten in die Tiefe, in der man nur noch ein wohliges Kribbeln verspürt, das sich im Körper ausbreitet.
Die minimale Instrumentalisierung aus dominierender Akustikgitarre und den sparsamen Einsatz von Bass, Drums und Klavier lässt die Lieder verletzlich wirken. Hier gibt es keinen wärmenden Klangteppich, keine wehrhafte Wall of Sound. Müsste ich die Musik einem neuen Genre zuordnen, würde ich es „Nude Pop" taufen. Interessanterweise passen kleine Hinweise, die ein aufmerksamer Betrachter dem Albumcover entnehmen kann, genau zu diesem Thema: Brekers Blick weist auf ein Bücherregal, in dem sich Bildbände unter anderem der Fotografen Paul Outeridge und George Platt Lynes finden. Neben ihrem revolutionären Beitrag zur Modefotografie verbindet die beiden ihre Vorliebe für die Inszenierung von Akten. Stripped to the Bone, ehrlich, ungeschützt, ursprünglich. Qualitäten, die auch Brekers Musik treffend beschreiben.
Ohne eine Kristallkugel befragen zu müssen, kann man sagen, dass Timo Breker Großes bevorsteht.
Veröffentlichung: 31.07.2009
Label: Lamm Records
http://www.timobreker.de/