In der nationalen Popecke

unerreichbar...Es lässt uns nicht los, das unangenehme Thema. Zumindest einige der sich links wähnenden Popliteraten, Journalisten und Musiker nicht. Die Spex in Person von Frau Doris Achelwilm widmete der Sache in Heft 09/2005 wieder einen ausführlichen Beitrag, weil just kurz vor der Wahl ein Sampler bei „unterm durchschnitt“ erschienen ist. Titel: „I can’t relax“. Darauf: Zum Teil unveröffentlichte Songs von Kettcar, Monochrome, Tocotronic, Die Goldenen Zitronen, Mouse on Mars, Lali Puna, Muff Potter, Robocop Kraus, Kante, Bernadette La Hengst, Die Sterne, Von Spar, Stella, Superpunk usw. Ziel: Die Stimme zu erheben gegen die Popularisierung der Nation. Die Gegner sind auch schnell ausgemacht. Namentlich: Mia., Rammstein, Wir sind Helden, Paul van Dyk, Peter Heppner, Fler u.a.

Polarisieren wir mal:

  • Die einen wollen (angeblich), dass Deutschland endlich eine unverkrampfte Beziehung zum eigenen, friedensbewegten Nationalgefühl entwickelt, und treten quasi für eine Regionalisierung ein. Sie sollten eigentlich alle CSU wählen.
  • Die anderen glauben, dass das Nationale grundsätzlich keine Bedeutung für die Musik und die Popkultur haben sollte. Sie sind also Vertreter der Individualisierung und Globalisierung und müssten alle FDP wählen.

    Hmmm, da stimmt doch was nicht…
    Egal: Nun streiten sie wieder trefflich und vergewissern sich v. a. ihrer Verantwortung gegenüber dem Selbst, wobei immer wieder auch mit Vokabeln wie rechts/links, konservativ/progressiv, bewahrend/erneuernd herumgeworfen wird. Hauptsache man gehört zur richtigen Seite. Ein typischer popintellektueller Diskurs, der meist so geführt wird, dass nur wenige ihm folgen können – zumindest in der Spex. Das Schlimmste an diesem Diskurs ist aber…? Richtig: Dass er keinen interessiert und einwandfrei an allen Problemen vorbei lotst.

    Nicht nur, dass diese Debatten schon vor Jahren in den tatsächlichen Intelligenzblättern unserer Nation geführt wurden (Walser lässt grüßen). Es ist auch eine typische Nischendiskussion deutscher Popintellektueller, die es sich in ihrem kuscheligen Diskursmilieu bequem gemacht haben und mit einer gewissen, IQ-dominierten Arroganz auf ein Land im Umbruch blicken - fernab dessen, was tatsächlich dieses Land bewegt. Ich spare mir eine Aufzählung (die Radioquote gehört zweifellos jedoch nicht dazu). Und weit entfernt von einer wie auch immer gearteten möglichen Einflussnahme auf den Gang der Dinge. Stattdessen rechtfertigen sie ihr überflüssiges Tun v.a. durch eine permanent um sich selbst kreisende Redemaschine, so eine Art redende „Radikale Mitte“ im Sinne des Kabarettisten Werner Fink, nur vollkommen unlustig.

    Währenddessen greift eine wesentlich pragmatischere, machtbewusste Elite unverhohlen nach den Stellhebeln unseres Landes, um es zu formen. Klar, das ist Demokratie, aber es kotzt einen an, dass die so genannten Intellektuellen sich für eine derart unpopuläre, dreckige Arbeit offenbar zu schade sind, sich lieber mit der Bionade am Hals zurücklehnen, jede ohnehin nicht zum Tor führende Flanke von der Tribüne aus kommentieren und dabei nicht merkeln, wie die Westerwelles unser Land überschwemmen. Gute Nacht!

    Das Problem: Als Intellektueller macht man sich per se verdächtig, wenn man ein unverkrampftes Verhältnis zur Macht entwickelt. Im besten Fall wird man noch mit Lenin verglichen. Mit tödlicher Sicherheit jedoch gäbe es einen Sampler gegen machtbewusste Popintellektuelle. Arbeitstitel: „Keine Macht für niemand!“

    Dies ist wohl auch das Problem der sich satirisch gebenden APPD und der Titanic-„Partei“ (die der „Radikalen Mitte“ noch am nächsten kommt). Sie produzieren nette Stiche gegen das System, sind aber ein Zeitgeistphänomen, das nichts bewegt und traurigerweise von Resignation zeugt. Das sind Deutschlands Popintellektuelle im Jahr 2005: Spießige Schwafler, Politclowns oder konservative Punks, wahlweise mit eingebautem Gutmenschentum, ironischer Verblöd(el)ung oder pubertierender Anarcho-Resignation. In jedem Fall: Bedeutungslos.

    Ihr könnt euch aussuchen, zu welcher Gruppe ich selbst mit diesem Text gehöre. Von heute an erspare ich mir jeden Blick in den Spiegel. Zu beschämend.

    http://www.icantrelaxin.de/
    http://www.unterm-durchschnitt.de/
    http://www.spex.de/web/

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    (Bild: Pressefreigabe des Deutschen Bundestages)