Barbara Morgenstern: Das Glück liegt im Detail

TänzelndRechtzeitig zum Frühling meldet sich die Königin den luftig-versponnen Elektropops mit der LP
„The grass is always greener“ zurück und zeigt allen, wie unverkrampft Pop aus Deutschland klingen kann.

Rückblick: Eigentlich kommt Barbara Morgenstern aus Hagen, bevor sie über Hamburg Mitte der 90er Jahre nach Berlin zog. Mit der Idee sich gegenseitig Konzerte zu organisieren, wurde sie Mitinitiatorin der Berliner „Wohnzimmer-Szene“ und so kam es dass Barbara Morgenstern mit ihrer Orgel und einem 4-Spur-Tape in diversen Berliner Wohnzimmern und Clubs auftrat. Das Ergebnis dieser Konzertberanstaltungs-Ich-AGs war viel Bewunderung in den wichtigen Berliner Kreisen und ein Plattenvertrag bei Gudrun Guts Monika Enterprise-Label, bei dem sie auch „The grass is always greener“ wieder erschienen ist.
Schon das erste Album „Vermona ET 6-1“ war durch ihr verspieltes Popverständnis (ohne aber dabei niedlich oder kitschig zu sein) etwas ganz besonderes. Über programmierter Analog-Elektronik, cleveren Beats und den typischen Orgel oder Klavierklängen singt Barbara Morgenstern mit ihrer wunderbar klaren Stimme „hinter der man, egal wie traurig die Worte auch hier und da gemeint sind, ein lächelndes Gesicht vermutet“ (Spex). Einfach leidenschaftliche Musik zum Zuhören und/oder tanzen und so verwunderte es nicht, dass sie mit ihren bisherigen drei Alben zum heißen Geheimtipp unter Eingeweihten wurde.


Barbara Morgenstern - The Operator (The grass is always greener/Monika Enterprise, 2006) 

Auch „The grass is always greener“ ist wieder ein tolles Album und beeindruckt durch minimalistische Eleganz. Statt der bei früheren Produktionen stets dominanten Vermona-Orgel, ist beim neuen Album das Klavier in den Vordergrund gerückt. Passt ja auch gut, weil sich die Musik von Barbara Morgenstern schon immer durch Wärme ausgezeichnet hat. Aber auch die Kooperationen der letzen Jahre haben in ihrer Musik Spuren hinterlassen. Vor allem die Arbeit mit Robert Lippok (Tesri, To Rococo Rot) erkennbar an den zischenden klickernden, teppichartigen Arrangements bei „;Mailand“ oder „Die japanische Schranke“. Und mit „The Operator“ (erste Single) gibst auch noch einen richtigen kleinen Hit, ein schwungvoll Elektro-Smasher mit ohrwurmverdächtiger Melodie. Alles klingt so souverän, dass es einem leicht fällt der Musik im Spannungsfeld zwischen Melancholie und Hochgefühl zu verfallen.
Als quasi-Heimatmagazin bat Unruhr Barabara Morgenstern zum Interview:

Du kommst gebürtig aus Hagen. Vielleicht bezeichnend für diese Stadt ist, dass Hagen vor wenigen Jahren die Sprengung des Sparkassen-Gebäudes als touristisches Highlight vermarkten wollte. Eigentlich stellte sich die Frage, warum nur das eine Gebäude... Was bedeutet dir Hagen und was wäre aus Barbara Morgenstern in Hagen geworden?

ProstBarbara Morgenstern:
Hagen ist leider ein architektonisches Nachkriegs-Verbrechen, wir wohnten allerdings am sehr grünen Stadtrand, direkt am Wald und mit Rehen im Garten – das vermisse ich in Berlin manchmal sehr. Außerdem ist so ein bestimmtes Nichts um einen herum auf jeden Fall der perfekte Nährboden für Musik – es gibt wenig Angebot, was einen eher ansport als entmutigt. Ich bin ja auch nicht die einzige Musikerin aus Hagen (Inga + Anette Humpe, Extrabreit, Nena, Grobschnitt, der BMG Musik-Verlag wird von Hagener geleitet).
Der zweite Teil der Frage, fällt mir schwer zu beantworten – ich wollte immer Musik machen und habe das auch getan. Wahrscheinlich würde ich in Hagen auch noch Musik machen.

Bei uns gibt es immer mal wieder einen redaktionsinternen Diskurs über den Begriff „Provinz“ – meist im Zusammenhang mit dem Ruhrgebiet. Was verbindest du mit diesem Begriff „Provinz“?

Barbara Morgenstern:
Nicht sehr viel – ich bin keine Vertreterin der Großstadtromantik. Großstädte können sehr anstrengend sein, deshalb genieße ich es manchmal sehr, in der „Provinz“ zu sein. Ich empfinde den Ort wo man lebt nicht entscheidend für das, was man tut. Außerdem habe ich wunderschöne Konzerte in der sogenannten „Provinz“ gehabt, die Leute sind oft offener und dankbarer.

Und einen Kommentar zum Ruhrgebiet: Was glaubst du, warum ein großer Ballungsraum wie das Ruhrgebiet in Sachen Musik so den Anschluss verlieren konnte (auch bei deiner Tour zum neuen Album spielt du nicht in der Ruhrstadt…)?

Barbara Morgenstern:
Das Ruhrgebiet ist leider eine aussterbende Region. Den Bergbau gibt es fast nicht mehr, die Orte werden immer leerer und das wirkt sich auch auf die Kultur aus. Meine Tour ist im Mai übrigens nicht zu Ende, ich werde im Herbst noch viel spielen. Seltsamerweise spielt nie jemand von meinen Bekannten in Hagen, was wohl daran liegt, dass es wenig Clubs gibt, die Musik wie meine veranstalten.
 

Auf deinem neuen Album sind viele Klaviersounds zu hören und du hast es z.T. mit echtem Schlagzeug eingespielt. Lust auf was Neues oder eine Rückbesinnung auf die Anfänge - immerhin hast du 1998 schon mal eine kleine Deutschland-Tour in Bandbesetzung gemacht?

Barbara Morgenstern:
Ich bin zu jeder Platte mit Bandbesetzung getourt, auch zur letzten, um die Konzerte lebendiger zu gestalten. Ich hatte allerdings Lust auf was Neues – wie bei jeder Platte. Es geht immer darum, sich weiter zu entwickeln, nicht stehen zu bleiben. Das Klavier steht in diesem Zusammenhang für den Wunsch, Stücke dynamischer spielen zu können (da eine Orgel weniger Dynamik besitzt), ich habe viele Stücke am Klavier komponiert, was ich bisher nicht gemacht habe. Das Schlagzeug habe ich aufgenommen, weil ich das Gefühl von den Konzerten mit auf die Platte transportieren wollte.

Dein neues Album heist „The grass is always greener“? Diese britische Redensart beschreibt ja eine in Deutschland weit verbreitete Stimmung. Was bedeutet der Titel für dich?

Barbara MorgensternBarbara Morgenstern:
Ich war 2003/2004 auf  Welttournee und hatte Gelegenheit viele Orte zu sehen und zu überprüfen, ob das grass dort wirklich greener ist. Die Antwort darauf verbirgt sich auf meinem Album ... ahaaa ... ein kleiner Kaufanreiz!


Ich habe letztes Jahr ein Konzert von dir zusammen mit Robert Lippok beim „Kunstrasen“ in Münster gesehen. Mir gefiel deine positive Ausstrahlung und die Freude, die du während des Konzerts vermittelt hast. Viele Elektronische Acts frickeln ja lieber in ihrem Kämmerchen vor sich hin und Live-Auftritte haben nicht so den Stellenwert. Bei dir schon, oder?

Barbara Morgenstern:
Das freut mich sehr! Es ist mir schon immer ein Anliegen gewesen, meine Auftritte lebendig zu gestalten und die Auftritte sind mir auch sehr sehr wichtig – da hast du recht! Live zu spielen entspricht mir mehr, ich bin ungeduldig, keine Detail-Fricklerin, ich bewege mich gerne – das ist für mich ein greifbareres Musikmachen als die Plattenproduktionen, obwohl ich sie auch sehr mag.

Letzte Frage: Was ist das Besondere an einer "Vermona ET 6-1"?

Barbara Morgenstern:
Ein schöner, warmer und einzigartiger Sound. Fantastofantisch!


www.barbara-morgenstern.de

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