Jet: "Ich könnte nie mit jemandem zusammen Musik machen, den ich so sehr hasse"

JetIhr drittes Album "Shaka Rock" im Gepäck, hat uns vor Kurzem die australische Garagenrockband Jet beehrt, um uns von ihren Live-Qualitäten zu überzeugen. Diese erinnerten dann ganz stark an einen anderen - wohl den bekanntesten - Exportschlager aus Down Under: AC/DC. Wäre das Konzert vor dem Gespräch gewesen, das ich mit Schlagzeuger Chris Cester und Bassisten Mark Wilson geführt habe, hätte man diesbezüglich noch mal schön nachhaken können, so beschränkten sich die Themen aber auf musikalische Innovation, eigenartige Einflüsse und Geschwisterliebe.

Ihr habt gerade euer drittes Album "Shaka Rock" herausgebracht. Wie seht ihr eure Entwicklung, sowohl musikalisch als auch persönlich.
Chris: Es ist ein riesiger Unterschied, besonders, wenn man die Alben direkt nacheinander anhört. Es sind immer noch wir, aber ganz anders. Jetzt klingen wir wie Jet. Jetzt haben wir unseren eigenen Sound.
Mark: Auf unserem ersten Album hatten wir Spaß und waren inspiriert von Musik, die wir mögen.
C: Jetzt spielen wir mit Selbstbewusstsein. Wenn man jünger ist, ist alles aufregend. Das ist es zwar jetzt auch noch, aber man kanalisiert es in etwas, das wesentlich kreativer und interessanter ist.

Also war da erste Album euer "wildes", das zweite das "Coming-Off-Age" und dieses das "erwachsene"?
C: Ich glaube, ich möchte nie "erwachsen" genannt werden, auch wenn ich es bin. Ich meine, ich bin erwachsen, aber, wenn man in einer Band ist, ist man immer 17 Jahre alt.

Mark WilsonNicht nur, wenn man in einer Band ist. Ich weiß absolut, was du sagen willst.
C: Dann verstehst du, was ich meine. Ich glaube auch, dass man nie seinen Sound findet. Man sollte nie selbstgefällig sein, man sucht immer nach dem ultimativen Album. Das ist es, was einen antreibt. Diese Suche nach etwas.

Wäre dann jemand wie David Bowie euer Ideal? Er hat sich ja mit jedem Album neu erfunden.
M: Ja, David Bowie war großartig. Bei jedem Album war er jemand anderes. Aber es war nur David Bowie. In einer Band ist das etwas schwieriger. Er ist ein Typ, der machen kann, was er will.

Er muss keine Kompromisse eingehen.
C: Genau. Er hat keine Band, die er fragen muss.
M: Bei ihm sind es nicht vier Leute, die alle in verschiedene Richtungen gehen.

Man sagt, das dritte Album sei das "Make-or-Break"-Album. Ist davon überhaupt noch etwas möglich für euch?
C: Nichts kann eine Band zerbrechen, außer die Band selbst. Hier ist so: Wenn eine Band zu berühmt ist, können einige Bandmitglieder verrückt genug werden, so dass sich die Band trennt. Wenn sie nicht den Erfolg haben, den sie sich wünschen, können sie auch verrückt werden und sich trennen. Wenn sie aber gegenseitig an sich glauben und denken, dass das, was sie machen, wichtig ist, dann ist alles andere egal. Es kommt nicht drauf an, wie viele Alben man verkauft. Schau, wie lange die Ramones durchgehalten haben, ohne viele Platten zu verkaufen. Ihnen war das wichtig, was sie taten und sie haben zusammengehalten. Das zeigt, dass es nicht wichtig ist, wie viel man verkauft.

Woher bekommt ihr eure Inspiration: mehr von andrer Musik oder von alltäglichen Erlebnissen?
C: Es ist eine gute Mischung aus beidem. Nichts kommt aus dem Nichts. Natürlich haben Bands auch immer Einflüsse. Bei manchen kann man diese besser erkennen, weil sie sie nicht verstecken. Als wir anfingen, haben wir uns nicht drum gekümmert wie wir klangen und nach wem, wir haben einfach nur Rock'n'Roll gespielt. Wir haben immer darüber geschrieben, was in unserem Leben passiert. Es ist 50/50.

Nic CesteDenkt ihr, dass es heute überhaupt noch möglich ist, musikalisch etwas wirklich Neues zu erschaffen?
C: Kannst du dich an diese Scheibe erinnern, die vor einigen Jahren rausbekommen ist "United States of Whatever"? (singt) An dem Lied ist nichts Innovatives oder besonders Originelles, aber es bringt dich dazu, dich zu bewegen. Es lässt dich etwas fühlen, und der Text ist sehr interessant. Die Seele eines Songs ist wichtiger als Innovation. Ich denke schon, dass es möglich ist, innovativ zu sein, aber es ist wichtiger, den Songs eine Seele zu geben. Das wollen wir mit unserer Musik.

Gerade im Moment geht der Trend in der Musik dazu, mehr elektronische Elemente zu verwenden, Sachen aus den 80ern wie Synthesizer etc., ihr bleibt aber beim guten alten Rock'n'Roll. Seht ihr euch als Traditionalisten?
M: Wir mögen viele Sachen aus dem Genre, vom dem du sprichst, aber es gibt auch viel Mist. Andererseits gibt es auch in der Rockmusik viel Mist. Wenn wir ein Synth-Pop-Album machen würden, dann wären wir Betrüger. Das ist einfach nicht die Musik, die wir machen. Warum sollte man also etwas machen, nur weil es gerade in ist und jeder es mag.
C: Besonders, da es nach fünf Minuten wieder etwas Neues gibt. Interessante Frage. Es ist wahr, viel ist im Moment durch die 80er inspiriert. Ich finde es langweilig, weil sich die Bands kaum unterscheiden. Ich würde uns aber nicht als Traditionalisten bezeichnen. Vielleicht bezogen auf unsere Bandaufstellung mit zwei Gitarren, einem Bass und Schlagzeug. Wir haben zwar auch einen Keyboard-Spieler, aber das geht eher Richtung Klavier. Das sind die traditionellen Elemente des Rock'n'Roll, also in diesem Sinne trifft es zu.

Ihr habt ein paar harte Zeiten durchgemacht, als dein Vater gestorben ist, z.B. Wenn ihr eure Musik nicht als Ventil gehabt hättet, was hättet ihr gemacht, wie wärt ihr damit umgegangen?
C: Es wäre mir sehr schwer gefallen, überhaupt mein Leben zu leben. Vor Jahren bin ich mal zur Uni gegangen und habe einen Schreibkurs belegt . Aber das Bemühen der anderen, sich gegenseitig vor dem Lehrer zu übertrumpfen, hat mich so angekotzt, dass ich es geschmissen habe. Meine einzige andere Option war, in einer Fabrik zu arbeiten. Aber ich habe immer geschrieben und tue es auch jetzt noch. Wenn ich nicht Musiker geworden wäre, würde ich schreiben. Wenn du ein kreativer Mensch bist, brauchst du ein Ventil, sonst wirst du verrückt.

Chris CesterIn einem Lied eures neuen Albums, "La Di Da", gibt es die Textzeile "I don't know anymore what I need and what for". Das klingt sehr fatalistisch...
C: Das hat mein Bruder Nic geschrieben. Der Ursprung liegt in seinem Umzug nach Italien. Dadurch haben sich seine Einflüsse zu eigenartigen europäischen Sachen verändert. Eine Mischung aus europäischem Rock'n'Roll und komischem europäischem Disco.

Interessant. Wie funktioniert das dann mit euch?
C: Auf dem Track wird es zu unserem gemeinsamen Song. Aber die ursprüngliche Idee kam von seinem Leben in Europa im Gegensatz zu Australien, wo es nicht solche Musik gibt. Es klingt zwar überhaupt nicht so europäisch, aber der zündende Funke kam davon. Über den Text kann ich leider nicht viel sagen. Er ist sehr interessiert an Religion. Nicht, dass er religiös wäre, aber er hat Interesse für so etwas.

Also seid ihr nicht gerade alle in einer Phase, in der er versucht, den Sinn des Lebens zu finden?
M: Nein.
C: Das hab ich mit 15 durchgemacht (lacht).

Wie ist das für dich und deinen Bruder in einer Band zu sein? Ist das ein Vorteil oder manchmal auch nervig? Ich meine, wenn man sich zum Beispiel die Gallagher-Brüder anschaut...
C: Das ist jetzt keine besonders interessante Antwort, aber es kann genau das sein, was man braucht. Im Grunde sind wir ja alle Brüder. Wir verbringen mit allen gleich viel Zeit und tauschen uns auch alle gleich viel untereinander aus.

Ihr kennt euch ja auch schon sehr lange.
C: Ja, und wir treffen alle Entscheidungen zusammen. Aber manchmal ist es echt gut, Nic um sich zu haben, weil jemand das ist, dem du 100% vertrauen kannst, wenn es dir mal richtig beschissen geht. Auf der anderen Seite geht man aber auch etwas härter miteinender um, weil man weiß, dass man es kann, weil einem vergeben wird. Das ist zwar schade, aber so ist es nun mal. Wir machen uns zwar manchmal gegenseitig fertig, aber werden trotzdem nie so werden wie die Gallagher-Brüder (lacht). Ich könnte nie mit jemandem zusammen Musik machen, den ich so sehr hasse.


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