Phillip Boa: "Ich rede halt wie ein alter Mann"

 Richtige Rock- und Popstars haben einen Titel, werden von Kritikern und Fans geadelt… In der Art wie "King of Pop", bester Sänger aller Zeiten und so weiter. Auf Phillip Boa trifft das ebenfalls zu - auch wenn sein Titel als "König des Indie-Rock" irgendwie in der Wohnzimmer-Vitrine vergessen wurde und langsam vor sich hin staubt. Unruhr.de hatte vor dem Open-Air-Konzert in Waltrop die Möglichkeit, Phillip Boa zu sprechen. Ganz gemütlich bei Kaffee, Zigarette und miesem Wetter - wir hatten ja Zeit.

 

Also ich stehe im Catering-Zelt im Backstage-Bereich. Schaue mich um. In der hinteren, rechten Ecke sitzen die Jungs von Astra Kid. Moment mal, sitzt da hinten nicht Pia? Pia Lund? Wieder-Dabei-Mitglied im Voodooclub bei Boa?
"Darf ich mal durch" heißt es von hinten. Ich drehe mich um. Ach, der Boa. Hallo. Ich bin der mit dem Interview. Ach so. Weiter geht's in das Band-Zelt. "Hier ist's etwas ruhiger", meint Boa. Nicht wirklich. Irgendeine Band macht gerade Soundcheck auf der Bühne - und das arschlaut.

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Meine erste Frage ist noch ganz harmlos - bezeichnet sich Boa eigentlich selbst als "König des Indie-Rock"?

Boa:
Solange ich das nicht selber von mir sage… Andere können das ruhig sagen… Obwohl ich mich eher als Ex-König bezeichnen würde..

UnRuhr: Hat das etwas mit der ewigen Geschichte "Boa und die Plattenindustrie" zu tun?

Boa:
Naja. Ich mag die eigentlich. Die Vermarktung ist mir einfach zu marktschreierisch. Schlimm finde ich, wenn gute Bands auf so schlechte Werbung setzen. Ich denke dabei an Auftritte im Frühstücksfernsehen oder in dämlichen Shows bei VIVA.

UnRuhr: Heute spielt ihr ja in Waltrop…

Boa:
Das ist gut so. Ich mag solche kleinen Festivals wie hier oder in Osnabrück. Das war ein richtiger Schritt für uns. Auf große Festivals habe ich keinen Bock mehr. Dort immer schon um 14 oder 15 Uhr spielen zu müssen vor kaum Publikum…. Nein. Deswegen spielen wir auch lieber in kleinen Clubs.

UnRuhr: Um noch mal auf die Plattenindustrie zu kommen…

Boa:
Ich lehne die ja nicht ab. Ich sehe das Ganze immer noch zwiespältig - daran hat sich nichts geändert. Irgendwie habe ich immer ein Riesenglück gehabt - aber auch ich musste mir früher alles erarbeiten.

UnRuhr: Macht es denn trotzdem noch Spaß auf der Bühne?

Boa:
Ich konnte mich während der ganzen letzten Jahre wenigstens noch einigermaßen halten. Ich sehe das so: Wir spielen immerhin noch auf Bühnen wie hier. Die Auftritte sind dann irgendwie eine Art Entspannung - ein Fallen lassen.
Natürlich sind die Absatzzahlen der CDs zurückgegangen. Wenigstens hab ich mich nicht verkauft und kann morgens noch in den Spiegel sehen.

UnRuhr:
Das hört sich ja doch etwas verbittert an…

Boa:
Ich rede halt vielleicht wie ein alter Mann. (lacht laut) Ich bin ja auch schon 40! Ich kenne die Szene halt noch anders von früher.

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UnRuhr: Wird es denn noch eine CD von Boa und dem Voodooclub geben?

Boa:
Das ist noch nicht sicher. Ich habe in meinem Leben schon so viele CDs gemacht… Jetzt lege ich eine schöpferische Pause ein. Aber live geht's weiter.

UnRuhr: Was heißt das?

Boa:
Ab Oktober gehen wir auf Clubtour. In die Läden aus den frühen Jahren wie zum Beispiel in Duisburg. Wenn es die Clubs natürlich noch gibt…

UnRuhr: Darf ich noch eine Frage stellen?

Boa: Aber natürlich… ich hab ja Zeit.

UnRuhr: Du giltst ja als "Journalisten-Schreck" in der Branche…

Boa:
Ich sag es mal so. Wenn man mir dumme Fragen stellt, stehe ich einfach auf und gehe. Oder schlimmeres…

UnRuhr: Da hab ich ja noch Glück gehabt… Weiter: Du wohnst ja in Dortmund und auf Malta…

Boa:
Ich pendele alle paar Wochen hin und her. Einen genauen Plan dafür gibt es aber nicht. Auf Malta hat ein guter Freund von mir ein Tonstudio (Temple Studios). Meine Kreativität ist auch nicht vom Ort abhängig. Aber: Wie schon gesagt - jetzt mache ich erstmal eine Schaffenspause…

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Sprach Boa und pult in seinen Jacken-Taschen herum. Vorsichtig holt er einige Buttons heraus und steckt sich diese an. Darauf stehe er total. Buttons. Von welchen Bands denn? Alles mögliche. Im Moment stehe er besonders auf "Gang of Four", "The Fall" und Bands wie "The Strokes" und "Franz Ferdinand". Sprach's und stand auf. Ein freundlicher Händedruck zum Abschied. Dann geht er wieder ins Catering-Zelt. Kaffe trinken. Es ist ja noch Zeit bis zum Konzert.

Link:
www.boamania.de

Das Interview führte mh.