Von Spar: "Pornos täten wir gerne schauen"

Von Spar2Als 2003 noch eine musikalische Trend-Sau namens PostPunk/No Wave durchs Dorf getrieben wurde, war Von Spars große Zeit. Das Debüt „Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“ wurde mit seinem tanzbaren Postpunk mit nervösen Politparolen von der Presse gefeiert und brachte der Band u.a. eine Spex-Coverstory ein. 

Aber mit dem zweiten Album „Von Spar“ (2007 Tomlab) haben Von Spar alle Erwartungen ins Leere laufen lassen, sich vom Zeitgeist befreit und den Diskurs einfach überholt. Statt klassischer Songstrukturen gibt es zwei zwanzigminütige, vorwiegend instrumentale Klangkollagen aus frei improvisierter Musik, inspiriert durch Krautrock, Post-Rock, Industrial und Doom. Bei einem solch krassen Stilwechsel verwundert es nicht, dass die Reaktionen auf das Album entsprechend gespalten sind und zwischen Anerkennung, ehrlicher Verwirrung und vielfach kompletter Ablehnung schwanken. Aber wer wie Von Spar radikal sein will, der wird in der Ablehnung durch die Mehrheit nur seinen Bestätigung finden.

Im Oktober gehen Von Spar auf Tour (im Unruhr-Gebiet am 25.10. im FZW Dortmund zu sehen) und eigentlich wäre eine adäquate Live-Umsetzung des Albums schon Herausforderung genug gewesen, aber zu allem Überfluss stieg im August auch noch Sänger Thomas Mahmoud aus. Und nun Von Spar? Wie geht’s weiter?

Bei eurem aktuellen Album habt ihr ja (fast) mit dem gesamten Post-Punk-NoWave-Zeitgeist eures Debüts gebrochen und euch stattdessen in Richtung Experimental-Musik/Krautrock entwickelt. Wie kam es zu diesem radikalen Stilwechsel?
Von Spar1Das erste Album war musikalisch auf den damaligen, immer noch anhaltenden, Glauben geeicht, dass eine Melange aus NoWave, Postpunk und kontemporärer Elektronikmusik den Dancefloor der nächsten Jahre bestimmen wird. Textlich wurde das ganze ja von der Thomas Mahmoud eigenen poetisch/politischen Chuzpe verfeinert. Das sich dann aber aus einer anfänglich musikalisch interessanten und für uns auch irgendwie politischen Strömung, eine chartskompatible, Kaiser Chiefs geprägte, Langweilerstudentenströmung entwickeln sollte, hat für uns keinen anderen Schritt zugelassen, als den kompletten Bruch mit dem Quatsch.

Welche Reaktionen von Seiten der Presse/Publikum habt ihr auf diesen Wandel erhalten?
Die Reaktionen changierten zwischen Einverständnis und totaler Ablehnung. Viele Leute sind sehr sensible und fühlten sich durch die Platte folgerichtig persönlich angegriffen. Dem tragen wir als Musiker keine Rechnung.

Nach Veröffentlichung der Platte ist euer bisheriger Sänger Thomas Mahmoud ausgestiegen. Wie geht es denn jetzt weiter? Beim Kölner Konzert im Blue Shell seid ihr ja mit dem ehemaligen Can-Sänger Dano Suzuki aufgetreten. Ist dies eine dauerhafte Lösung oder geht ihr jetzt noch stärker in Richtung Instrumentalmusik?
Das Damo Suzuki Ding war ja sowieso nur als Session zu verstehen. Wir werden auf keinen Fall mit einem neuen festen Sänger arbeiten. Auf der nächsten Platte wird die/der ein/e oder andere Gastsänger/in mitwirken.

Könnt ihr noch was zu den Gründen zum Ausstieg von Thomas Mahmoud sagen. Hing es damit zusammen, dass er bei Von Spar keinen Platz mehr für Gesang sah?
Nein, die Gründe waren privater Natur.

Wie setzt ihr denn die Songs der neuen Platte live um? Vor allem wird es interessant sein zu sehen, wie ihr denn eure alten Songs (soweit welche gespielt werden) stimmig ins Set integriert?
Wir befinden uns gerade in der musikalischen Vorbereitung für die kommende Tour. Der anarchistische Geist  ist wie immer allgegenwärtig. Eine Werbeagentur würde es folgendermaßen formulieren: „expect the unexpectable“.

Wie sieht denn das Tourleben bei Von Spar aus? Mit Junge Welt, Naomi Klein und veganem Essen oder doch mit Pornos, Groupies und Alkohol?
Wir sind alles sehr alte Männer. Naomi Klein beschreibt in ihren Büchern Phänomene die wir nicht mehr verstehen. Vegan essen tut das Gewissen der Wohlstandsgesellschaft. Wir haben weder Gewissen noch sind wir wohlhabend. Pornos täten wir gerne schauen. Die Qualität der gegenwärtigen Produktionen ist hingegen so schlecht, dass wir auch darauf verzichten. Dem Alkohol haben wir, wie jeder aus unserem Freundeskreis bestätigen kann, abgeschworen. Was in 20.000 km Entfernung passiert, passiert nicht.

Zum Schluss eure aktuelle Top5?
1) V.A. - Worried Noodles
2) Ives I#
3) Metronomy
4) Final Fantasy – He Poos Clouds
5) Laddio Bolocko – Strange Warmings Of…

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