„Express-Reservierung. Bitte für Platzkarteninhaber freigeben." steht über dem einzigen freien Platz im ganzen Wagen 24. Natürlich setze ich mich trotzdem auf den Gangplatz. Doch kaum habe ich meine Tasche im Gepäckfach verstaut, meine Jacke darüber drapiert, den Sitz in Besäß genommen und meine Nachbarin freundlich benickt, beginnt auch schon ein schleichendes Unbehagen meiner Besitz zu ergreifen.
Ich habe noch nie einen Platzkarteninhaber kennen gelernt, der eine Express-, also offenbar sehr kurzfristige Reservierung vorgenommen hat. Was sind das für Menschen, die - wohlwissend, dass die letzten Plätze in Zügen eine Frage der sportlichen Fitness und schnellen Auffassungsgabe sind - diesen Wettbewerb unterlaufen, indem sie sich einfach zum Platzkarteninhaber hochjubeln. Dahinter verbirgt sich entweder die Kenntnis der eigenen Unzulänglichkeit im bahndarwinistischen Wettbewerb der Fahrgäste oder eine Niedertracht, die unter Rückgriff auf zeitgemäße Kommunikationstechnologien jeglichen archaischen Konkurrenzkampf im Vorhinein torpediert, um sich als Klugscheißer aufzuspielen.
Übertroffen wird diese Niedertracht nur noch von bahn-comfort-Kunden, die fröhlich insistierend die Ü70-Fahrgäste von den für comfort-Kunden reservierten Plätzen zurück in die Nahrungskette mobben.
Ich bin froh, dass ich noch nie einem Platzkarteninhaber mit Express-Reservierung begegnet bin, sonst hätte ich vermutlich eine mögliche körperliche Überlegenheit und schnelle Auffassungsgabe dazu genutzt, diesen Menschen vor den Augen der Mitstreiter eine - sagen wir mal - zu verpassen. Bevor ich mich dann zum nächsten bahn-comfort-Platz begebe und die Omas auf den Gang zurückschubse.