Der Elektriker

dsc02730_elektrikerDer Elektriker kam wie angekündigt um acht.
Während er die Wände aufstemmte, um neue, moderne Kabel zu verlegen, blieb ich in der Zelle, ohne ihm zu helfen, doch bereit für noch offene Fragen. Zugleich nicht untätig sein wollte ich, nicht untätig wirken - dort der Arbeiter, hier der Müßiggänger. Also tat ich etwas, räumte ein wenig auf, den Teller vom Frühstück, rollte meinen Stuhl an den Tisch vor ein Blatt und schrieb, tat schreibend zumindest. Nur nicht Nichtstun. Er arbeitete ohne Pause. Ohne Pause, vielleicht heimlich auf dem Flur geraucht.

Ich kochte ihm einen Kaffee, den nahm er. Ich brachte ihm ein Glas Wasser, das ließ er stehen. Zu essen gab ich ihm nicht. Das wäre zu intim, das hätte auch er nicht gewollt.

Ich selbst aß auch nicht. Nicht am Tisch vor dem unberührten Teller, wo er mich jederzeit hätte sehen können, beim Kommen oder Gehen. Ich gab nur den Kindern, die mich besuchten, und als sie fertig und wieder auf dem Heimweg waren, verschwand ich in der Kochnische. Leise aß ich dort eine geschnittene Melone. Denn ich hatte Durst und Hunger, wollte aber den Elektriker selbstverständlich nicht fragen, ob auch er durstig oder hungrig war.

Ich aß wie ein scheues Tier im Wald. Hastig und so leise wie möglich, ganz auf meine Ohren konzentriert, dass er ja nicht käme, gerade jetzt, um eine Frage zu stellen.
Wenn ich seine Schritte hörte, versank ich noch tiefer in meinem Stuhl, zerdrückte die Melonenstücke zwischen Zunge und Gaumen, ängstlich bedacht, keinen Kern zu zerbeißen, bei dessen krachendem Geräusch ich ihn überhören könnte, wenn er sich näherte, womöglich anschliche, nicht aus Falschheit, sondern aus purer Rücksichtnahme, wenn er sich also näherte, schon hinter meinem Rücken stehend - denn ich hatte mich abgewandt, aus Furcht, ihm plötzlich in die Augen blicken zu müssen, er mich plötzlich kauend sähe, kauend auf diesen großen Melonenstücken, viel zu groß für meinen Mund, mir dann vielleicht der Saft aus den Mundwinkeln liefe, ein rotes Wassermelonenrinnsal wie blutiger Speichel, den ich mit der Hand schnellstmöglich wegwischte, kaum die Frage hörend, diese belanglose Frage nach dem Links oder Rechts einer Steckdose.

Er brauche länger, sagte er, auch morgen noch, als er mich auf dem Balkon aufspürte, wohin ich mich verzogen hatte, um ihn nicht weiter mit meiner unsinnigen Nähe zu belästigen.


Kommentar der Putzfrau:
»Total bekleckert! Kann der nicht am Tisch essen?«