AREA 4 – 25.08.07 – 2. Tag
Weiter ging’s am zweiten Tag beim Area 4-Festival auf dem Flugplatz Borkenberge zwischen Haltern und Lüdinghausen bei ebenso hervorragendem Wetter wie am Vortag. Auch an diesem Tag arbeitete man sich von deutschen Newcomer-Bands hin zu den unwiderlegbaren internationalen Highlights THE HIVES und BILLY TALENT. Weiterhin äußerst bewegt und bewegend!
Am Tag 2 schickte man zunächst die in jüngeren Punkrockkreisen beliebten TURBOSTAAT aus dem hohen deutschen Norden auf die Bühne. Sie heizten zu so früher Stunde mit ihren deutschsprachigen Songs ein und erweckten die Leute vom Campingplatz langsam wieder zum Leben. Auch neu oder wieder angereiste hatten sich schon zahlreich eingefunden.
Als dann ITCHY POOPZKID kurz nach Mittag die Bühne stürmten kam so richtig Partystimmung auf. Der inzwischen wieder völlig auskurierte Sibbi (es hatten ihn vor zwei Wochen beim Olgas Rock noch die Nachwirkungen einer üblen Mandelentzündung geplagt) war stimmlich voll einsatzfähig und düste und witzelte nach Itchy-Manier mit Dani um die Wette. Ordentlich Tempo, melodisch mitreißende Songs, sprühende Spielfreude, gute Laune, spontane Gags, die volle Ladung, begeistertes Publikum – ITCHY at its best!
Diesen Eindruck konnte auch Sibbi später bestätigen: „Damit hätten wir um diese Uhrzeit echt nicht unbedingt gerechnet, das war super.“ HIER Mehr im Interview mit Itchy Poopzkid
Als nächste waren MUFF POTTER aus Münster an der Reihe. Nach SOULFLY vom ersten Tag konnte man hier wieder vermehrt raumgreifende Tattoos und auch powervolle Spielstärke bewundern. Die Münsteraner warteten auf mit fetzigen gitarrengestählten Songs und auch sie waren spielfreudig und wollten die ganze Spielzeit im Sinne des Publikums ausnutzen. „Lieber was sabbeln und 2 Lieder spielen oder Schnauze halten und 3 Lieder?“ ließ Sänger und Gitarrist Nagel zum Ende hin verlauten – MUFF POTTER entschieden sich für den zweiten Vorschlag, ordentlich gerockt !
Mittlerweile spielten die Gäste auf dem Campinggelände interessante Spielchen, bei denen es aber vermutlich hauptsächlich darum ging, den Konsum alkoholhaltiger Getränke spannender zu gestalten oder auch zu beschleunigen. Die Spielleitung war bestens ausgerüstet mit Megaphon plus merkwürdigem Flugobjekt (siehe Foto) und hatte eine ganze Schar Mitspieler nebst interessierten Zuschauern um sich versammelt. Die Regeln konnte uns aber auch niemand mehr so recht erklären…
Derweil schlugen FROM AUTUMN TO ASHES noch weitaus härtere Töne im Innenraum an und brachten Screamo und Hardcore auf die Ohren. Auch wenn die Gangart ein ganzes Stück weit aggressiver wurde, ließen die New Yorker auch Melodien und Emotionalität nicht vermissen. In den Songs geht es um alltägliche Situationen von außergewöhnlichem Blickpunkt betrachtet und da passt diese Mischung ja hervorragend. Außerdem hatten sie interessanterweise – etwaige Fotos sind also nicht seitenverkehrt – einen rechts greifenden Bassisten, wahrscheinlich wohl eine wahre Rarität.
Da es einen kurzfristigen Tausch im Line-up gab, spielten nun erst BLACKMAIL, die routiniert und vielleicht auch ein wenig langweilend ihr Programm durchzogen, das geprägt ist von Indie-Rock mit zuweilen auch mal progressiven Einflüssen. Trotz Mangel an Showeinlagen, ist die Musik an sich live ein Erlebnis. Sänger Aydo hat das Publikum dann auch rege an all seinen Backstage-Erfahrungen und Möchte-gern-Erfahrungen Teil haben lassen. Vielleicht hätten wir doch lieber +44 gesehen, für die diese deutsche Combo spontan eingesprungen ist?
Erst ganz interessant, aber dann doch ein wenig eintönig und aufdringlich kamen ART BRUT rüber, die allerdings zur Abwechslung mal wieder bunte, gestreifte, fast schon elegante Klamotten anhatten und eine Bassistin (mit großen roten und lilanen Punkten) vorweisen konnten. Die Ansagen wie: „I like ice tea on the beach out of reach.” fanden nicht unbedingt alle witzig und auch in den Songs war eher eine Art Sprechgesang vorherrschend. ART BRUT ist gedacht als Indie mit Pop und Punk kommt aber live etwas rüber als crazy bisschen parolenhaft geschriehen und passte vielleicht wirklich nicht so ganz ins Programm. Da konnte auch Sänger Eddie Argos Seilchenspringeinlage mit dem Mikrofonkabel nichts dran ändern.
Die Darkrocker von 69 EYES hatten schnellstens sogar auch ihre Pogofraktion, obwohl ihre Musik eher richtiger Rock, man möge auch sagen seit letzterer Weiterentwicklung Goth-Rock, ist. Ihr Sound erinnert ein wenig an die SISITERS OF MERCY, wenn auch schneller und frischer, aber man kann auch BILLY IDOL, einen erklärten Favouriten einiger Bandmitglieder, heraus hören. Sie ließen es sich nicht nehmen, auch hier den Auftritt mit dem schon traditionellen Lost Boys-Intro zu beginnen, das recht spektakulär wirkte. Neben vielen bekannten Hits, z.B. auch dem 69 EYES-Song „Lost Boys“ und „Goth Girl“, gab es Songs vom neuen Album „Angels“, das in ihrem Heimatland Finnland bereits Gold erlangte. Jussi gab alles an den Drums, Timo- Timo, neuerdings mit schickem Iro, grinste gut gelaunt in den Fotograben, und Jyrki nahm seine Sonnenbrille nicht ab, denn es war ja auch noch hell. Trotzdem untermalten Lichtshow und Nebel in der kaum einsetzenden Dämmerung die Show und schafften die rechte Atmosphäre für die etwas düsteren Songs. Jyrkis Botschaft an die Fans: „Fuckin’ love you!“ fand ebenso Beifall wie die souveräne Vorstellung insgesamt. Abschließend taufte Jyrki 69 das Festival kurzerhand humorvoll um: „Thank you Area 69!“
Interview mit Jussi 69 unter Geschwätz
Mit Juliette Lewis betrat nun die erste Frontfrau dieses Festivals das Plateau. Ihre zweite Karriere mit JULIETTE & THE LICKS, für die sie die Schauspielerei auf Eis gelegt hat, scheint erfolgreich zu verlaufen. Wer sie heute gesehen hat, weiß auch warum. Dieses zierliche Persönchen, das wir nett lächelnd oder leicht verstört aus Filmen wie „Gilbert Grape“ oder „Natural born killers“ kennen, ist nicht nur Boss der Band beim Songschreiben, sie hat auch auf der Bühne das Sagen und unterstreicht dies durch Gestik und Mimik. Da wurde schon mal der Gitarrist durch die Gegend geschubst, wenn er sie ärgerte, im nächsten Moment räkelte sich Juliette sexy auf dem Boden oder schleuderte ihre brünette Mähne kokett durch das Scheinwerfergewitter. So relaxt und nett lächelnd sie mit ihren roten Stiefeln in Jeans vorm Auftritt herumschlenderte, so außer Rand und Band frivol schauend in Lackhose war sie im Gegensatz dazu auf der Bühne. Und das Ganze mit einer kraftvoll-rauchigen Stimme. Fazit: JULIETTE & THE LICKS sind äußerst sehenswert und hörenswert!
Very stylish betraten THE HIVES aus Schweden die Bühne in schwarzen Anzügen mit schwarz-weißen Applikationen. So schick kennt man sie auch aus den Videos, wenn sie ihren „Idiot walk“ schmettern. Aber irgendwie schaffen sie es, diese Eleganz mit Abgehen während der Show zu verbinden, so dass eine explosive Mischung entsteht, die live noch viel besser und authentischer rüberkommt und auf die Zuhörer überspringt. Das immer zahlreichere Publikum feierte den Indierock der HIVES gehörig und tanzte ebenso wild wie die Band selbst. Damit wurde der Stimmungspegel gehalten und in Richtung Verrücktheit noch ein wenig hochgeschraubt.
Kennt man BILLY TALENT mit ihren Ohrwurm-Hits nur aus dem Radio oder vielleicht noch aus ihren schon ein wenig skurrilen Videos, ist man trotzdem erstaunt über die geballte Ladung, die einem von oben entgegenschlägt. Die Jungs aus Kanada sind offensichtlich nicht nur eine der zahlreichen Modebands im Punkrock, sondern eine gewachsene Band, die weiß was es heißt live zu spielen, alles zu geben, Leute in ihren Bann zu ziehen. Im Set waren natürlich die großen Erfolge wie "Surrender" und später als Zugabe auch noch als Sahnehaube „Fallen leaves“ und „Red flag“ zu hören, wozu die Massen sprangen, sangen und abfeierten. Ein großartiger Tag ging mit einer großartigen Band zu Ende!
-Lady Reason-
alle Fotos: Daniela Vorndran (MySpace) oder www.black-cat-net.de