episoden aus der neuen welt; ein roman -episode 1-

bild_episode_1ich will. …will ich? nein, ich muss. wenn ich überleben will, muss ich eine neue strasse finden. …sie existieren noch die anderen strasse, vermutlich. vermutlich, ja wahrscheinlich, gibt es noch tausende strassen, in denen man mehr oder weniger erfolgreich betteln kann. ohne uns können sie nicht existieren. wir sind ihr fleisch, ihr material. ohne uns haben sie nichts mehr zu lachen.

deshalb werde sie uns auch schön am leben erhalten. unsere strassen mit den schlechten kulissen. es ist einfach lächerlich, was sie uns da vor die nase knallen: schlechte malerei. bauten aus zeiten an die wir uns kaum erinnern können. renaissancesäulen. jugendstilfassaden. häuser wie riesige bauklötzer und was weiß ich noch alles. man möchte nur alles wegschieben. sinnlos. sie habens festgesellt. ...und wechsel…? vielleicht drei mal im jahr. ist ein schlechtes leben besser als kein keins? ...mh ja, scheiß frage. zu philosophisch. was auch wieder quatsch ist... seh keine alternative. …warum kommt mir immer diese blöde frage? ist doch klar. dieses oder keins. vielleicht erledigts sich von selbst. ich hab immer die bewundert, die einfach schluss machen. so radikal, unwiderruflich. mit dem ganzen mist, dem selbstbetrug, hoffnung, alles quark. ja wirklich, respekt. ich würds mir in letzter minute noch anders überlegen. könnt ja doch noch was kommen. …ja, was denn? ach, hör doch auf. scheiß denkapparat, hört nie auf. ...ich muss. …konzentration auf das wesentliche. …reiß dich zusammen. ich muss eine neue strasse finden. ohne stilbruch, wenn möglich. was für ein problem. …ach ja, ... aber das macht mich kirre. alles macht mich kirre. und bitteschön ohne stinkende nachbarn. oder gleich ganz ohne nachbarn. rieche ich denn besser als die…? äh ... nein, keinesfalls. kein wunder bei den verdreckten waschanlagen. wasser aus der kanalisation. demnächst schütten sie uns noch kalilauge über die birne. sauber bis auf die knochen, hä, hä... hautlos, magenlos, wunschlos. aber das würde denen auch nicht passen diesen … diesen... tja, so siehts aus. also bleiben wir wie wir sind, randvoll mit wünschen und leerem magen. rennen von einer zur nächsten strasse. bekloppt, total bekloppt. aber froh sollte man sein, wenns überhaupt noch geht. glück gehabt, noch in schuß. ...man, man, man, ich sehe hier gar nichts. da hinten…? mir tränen schon wieder die augen. ...und müde. schon wieder müde. die haben mir was rein getan. ich steh auf der abschussliste. warum bin ich immer so müde? wann kommt hier endlich die nächste strasse...? ich habs satt. meine orientierung … ja, meine orientierung ... gründlich im arsch. nichts, nichts, ah... die könnten hier endlich mal ein paar schilder aufstellen. zum beispiel: die nächste strasse nur noch... ach, was weiß ich. ich geh mir langsam selbst auf den keks. …keine lust. überhaupt keine lust. und meine schuhe? …die machens auch nicht mehr lange. löcher hier, löcher da. sehr unspaßig. …genau, schöne weiche lederschuhe. …hey, jetzt bringt mir mal ein paar lederschuhe. aber dalli, dalli. …schwarze. das wärs. oh, ich liebe lederschuhe. aber leider sind uns die tiere ausgegangen. aus versehen. …aus versehen nicht alle. ein paar sind noch da. was für ein witz: ich muss immer lachen. ...auf wagen festgeschnallt. pervers. eigentlich nicht zum lachen. …wer ist nur auf diese dusslige idee gekommen? ...auf rollwagen. das muss man sich mal… dahinten ist was. …da hinten leuchtet was. ja...

text und bild: ilka berger